Samiotisches Kaffeetagebuch II: Taverna Filarakia in Ano Vathi

Es war alles genau so, wie ich es vor knapp zwei Jahren verlassen habe: der verwinkelte Ort mit den schmalen Gassen, die Taverna Filarakia mit ihrem schmerbäuchigen Wirt mit einem schwarzen T-Shirt (vielleicht das selbe?) und auch die alte Frau sitzt wieder an ihrem Stammplatz neben dem Eingang. Ich sitze ja auch wieder am selben Platz. Neu allerdings ist, dass der Wirt von Anfang an freundlich ist. Vielleicht liegt das daran, dass er heute gut ausgelastet ist. Zumindest wird er das wohl sein.

Unter der Veranda deckt er gerade die Tische ein, die er zu einer langen Tafel zusammengeschoben hat. Zur Feier des Tages gibt es eine Tischdecke, zumindest für diesen Tisch. Der Rest der Dekoration sind Getränkedosen und Plastikbecher in Stapeln. Offenbar wird das halbe Dorf erwartet. In der Küche warten bereits vorbereitete Vorspeisenteller, sorgsam mit Plastikfolie abgedeckt. Rasch werden noch die weißen Monoblocs an den Tisch geschoben und die Taverna Filarakia, eine der letzten Tavernen von Ano Vathi, ist bereit für ihre Gäste.

Ano Vathi, Ober Vathi, auch Paleo Vathi, Pano Vathi oder, seitdem sich Kato Vathi oder Unter Vathi schlicht Samos nennt, um ihren Charakter als Inselhauptstadt zu unterstreichen, auch nur Vathi zählt zu den ältesten Siedlungen der Insel. Vermutlich schon Mitte des 16. Jahrhunderts siedelten sich hier Menschen an. Später kamen Flüchtlinge von Peloponnes dazu, gefolgt von Auswanderern von der Insel Chios. Unten am Meer gab es nur einen kleinen Hafen. Um den Piraten zu entgehen war es sicherer auf dem Berg zu wohnen. Später wurden von ionischen Kaufleuten am Hafen Lagerhäuser errichtet. So entstand nach und nach die untere Stadt. Heute wohnen in der mondänen Stadt Samos etwa viermal so viel Menschen, wie oben.

2011 wurden in Ano Vathi 1888 Einwohner gezählt. Witziger Weise ist das fast die Zahl, die am Türsturz über den Eingang der Taverna Filarakia eingraviert ist, nämlich 1880. Seit diesem Jahr gibt es diese Taverne hier am Platz. Im Inneren scheint die Zeit stillgestanden zu haben: einfach eingerichtet ist es hier, aber gemütlich. Vor allem die in Ehren nachgedunkelte Holztäfelung und die ebenfalls in die Jahre gekommenen Holzmöbel sorgen für Atmosphäre. Tatsächlich ist die Taverne unter Einheimischen und Touristen für ihre einfache aber gute Küche bekannt. Die Souvlaki sollen hier besonders lecker sein. Einige Besucher beklagen sich zwar über die geringe Auswahl, loben dann aber die Speisen und freuen sich über die niedrigen Preise.

Für einen Test der Qualität der Küche ist es noch zu früh, aber genau rechtzeitig für eine Tasse Kaffee, griechischen natürlich. Den gibt es für 1,50 Euro inklusive einer kleinen Flasche Wasser, die ich diesmal unaufgefordert bekomme. Von unserem Platz aus können wir dem geschäftigen Treiben zusehen. Es ist Osterdienstag – ja, diesen Feiertag gibt es in der Orthodoxen Kirche. Und es gab ihn bei uns, zumindest bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Johann Georg Krünitz schrieb in seiner Oeconomische Encyclopädie: Der dritte Osterfeyertag wird in vielen Ländern nicht mehr gefeiert, weil die häufigen Festtage, statt dass sie das Volk frommer und gesitteter machen, nur verleiten, sich der Faulheit und den Ausschweifungen hinzugeben.“

Dass an diesem 7. Mai ein Feiertag ist, liegt allerdings weniger an der Orthodoxen Kirche, sondern daran, dass der 1. Mai, der Tag der Arbeiterbewegung, 2024 auf genau diesen Tag verschoben wurde. Die deutsche Griechenlandzeitung schreibt dazu: „Grund dafür ist, dass der 1. Mai in diesem Jahr mitten in die Karwoche fällt. Auf Grund der bevorstehenden Feiertage erwarten dann viele Geschäfte des Einzelhandels einen besonders hohen Umsatz, vor allem in der Lebensmittelbranche. Ziel der Verschiebung des Maifeiertages sei es, ‚diese wirtschaftlichen Aktivitäten nicht zu beeinträchtigen‘, so die Ministerin (Arbeitsministerin Domna Michailidou).“ Geben wir uns also der Faulheit und der Ausschweifungen hin und genießen wir unseren letzten Tag auf Samos.

Taverna Filarakia, Ano Vathi, Samos; Öffnungszeiten: täglich 08:00 – 00:00 Uhr.

Quellen: Wikipedia, Griechenlandzeitung, wanderlog.com.

7 Gedanken zu “Samiotisches Kaffeetagebuch II: Taverna Filarakia in Ano Vathi

  1. Genau deshalb müssen alle Feiertage dringend abgeschafft werden! Wegen der privaten Auschweifungen, die keinen Mehrwert generieren, oder gar destruktiven Anfälllen von konsumfeindlicher Frömmigkeit. Alles Faulenzer! –
    Ob sich der Wirt am Ende noch erinnert hat? Wegen der Flasch Wasser meine ich. Jedenfalls wäre es Zeit, mal wieder in einem Land vorbeizuschauen, wo man Leben, Arbeit und das, was der Zitierte oben als Frömmigkeit auffasste ausgewogen betrachtet.

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  2. Stimmungsvoll, wie du die Taverne beschreibst. Ich kann mich noch daran erinnern, dass du schon mal dort warst. Es scheint sich nichts geändert zu haben. Wenig Auswahl beim Essen bedeutet oft, dass das, was da ist, auch schmeckt. Das scheint ein echter Geheimtipp zu sein.

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    1. Also ich kann die Taverne trotz des manchmal etwas unwilligen Wirtes nur empfehlen. Oder vielleicht genau deshalb. Der Wirt ist halt ein echter Grieche und weder durch Urlaubsgriechisch zu beeindrucken, noch durch Trinkgeld bestechlich.

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