Eigentlich ganz einfach. Ein Milchkaffee ist ein Kaffee mit Milch. Schwieriger wird es allerdings, als es en vogue wurde nicht mehr einfach Milchkaffee auf die Getränkekarte zu schreiben, sondern ein vermeintliches Synonym. Viele Cafébesitzer verwenden Bezeichnungen wie Café au Lait, Caffè Latte und Café con Leche als wohlklingenden Ersatzbegriff. Auf den ersten Blick mag das sinnvoll erscheinen, schließlich handelt es sich bei allen der genannten Kaffee-Variationen um Kaffee mit hohem Milchanteil. Doch der Teufel steckt im Detail.
Der klassische deutsche Milchkaffee besteht etwa zu gleichen Teilen aus Filterkaffee mit heißer Milch. Er gilt allgemein als bekömmlicher als Filterkaffee mit nur etwas Kondensmilch – was durchaus auf Konsumenten ohne Milcheiweiß-Unverträglichkeit zutreffen sollte. Davon allerdings abzuleiten, dass man dieses Getränk automatisch auch Café au Lait oder Cafè Latte nennen könnte, weil das ja übersetzt nichts anderes als Kaffee mit Milch bedeutet, ist aber zu ungenau um einer genaueren Überprüfung Stand zu halten.
Denn eine solche Verallgemeinerung würde alle nationalen und traditionellen Eigenheiten der verschiedenen Herkunftsländer ignorieren. So, wie Milch schwarzen Kaffee erhellt, so wird CoffeeNewsTom Licht ins Dunkel des Milchkaffee-Begriffsdschungels bringen. Deshalb werden wir die nächste Woche dem Milchkaffee und seinen Besonderheiten widmen. Diese Reise wird uns nach Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, die Benelux-Länder und schließlich nach Australien bringen. Eine Reise, die sich lohnt. Klären wir also das Milchkaffee-Missverständnis auf.

Frankreich – Café au Lait
Er darf bei keinem französischen Frühstück fehlen, der Café au Lait. In Paris kennt man ihn auch als Café Crème, welcher im übrigen Frankreich eine Tasse Kaffee, die nach der Espresso-Methode zubereitet wurde, bezeichnet. Traditionell ist der Café au Lait – oder eben Café Crème in Paris – eine Tasse starken Kaffees mit etwa der gleichen Menge heißer Milch, zumeist serviert typischer Weise in Schale in einer Größe zwischen Suppentasse und Vogeltränke.

Gerne hat man den starken Kaffee dafür in der French Press, in der Pressstempelkanne zubereitet. Heute nimmt man mehr und mehr Espresso dazu. Ein wichtiges Merkmal aber ist bis heute geblieben: ein richtiger Café au Lait hat keinen Milchschaum auf der Oberfläche! Für Café au Lait eignen sich eher dunklere Röstungen aus Arabica-Bohnen. Diese Röstungen haben wenig Säure und harmonieren daher sehr gut mit dem hohen Milchanteil im Getränk. Die Zubereitung in der French Press unterstreicht dies zusätzlich.
Italien – Caffè Latte
Gehört zum italienischen Frühstück wie das Cornetto: Caffè Latte, die römische Version des Milchkaffees. Der Unterschied zum Café au Lait ist mehr als der Akzent und das zweite F. Denn Caffè Latte wird mit leicht geschäumter Milch gemacht Nicht so stark geschäumt, wie beim Cappuccino, eher flüssig als cremig. Die zweite Zutat ist der Kaffee, heute zumeist ein einfacher oder doppelter Espresso, traditionell aber ein Mokka aus der Bialetti, Caffettiera oder Herdkanne. Denn bevor billige Espressomaschinen für zuhause den italienischen Markt überschwemmten, benutzte man die Bialetti für daheim, Espresso trank man auswärts.

Ein richtiger Caffè Latte besteht aus drei Schichten aus Milch, Espresso und Milchschaum. Nicht verwechseln sollte man ihn mit den anderen italienischen Kaffee-Spezialitäten mit Milch: dem Cappuccino, dem Latte Macchiato und dem Caffè Macchiato. Der augenscheinlichste Unterschied zwischen Caffè Latte und Latte Macchiato ist, dass Caffè Latte in einer Tasse, Latte Macchiato in einem hohen Glas serviert wird. Außerdem hat der Latte Macchiato eine wesentlich größere Milchschaumhaube als der Caffè Latte. Denn während ein Latte Macchiato zu einem Drittel aus Milchschaum besteht, macht der Schaum beim Caffè Latte nur einen kleinen Anteil aus.

Noch sparsamer geht es beim Caffè Macchiato zu, ein Espresso mit einem kleinen Klecks geschäumter Milch. Zuletzt der Cappuccino, die wohl bekannteste italienische Milchkaffee-Variation, besteht zumindest aus einem Drittel cremig geschäumter Milch und nur einem Espresso. Auch ist die Portion kleiner, als beim Caffè Latte. Fehlt noch ein Blick auf die geeigneten Bohnen: italienische Röstungen, insbesondere die für Espresso, sind dunkler als in Deutschland oder Frankreich. Espresso-Röstungen bestehen immer aus Arabica und Robusta. Für die Bialetti gibt es außerdem spezielle Mischungen, die auch vom Mahlgrad perfekt auf die Herdkanne abgestimmt sind.

Spanien – Café con leche
Die spanische Form des Milchkaffees heißt Café con leche – Kaffee mit Milch. Üblicher Weise besteht er aus einem Espresso mit Milch, wobei die Röstung für den Espresso, wie für Spanien typisch, sehr dunkel ist. Etwa die Menge von zwei Espressi wird in einer mittelgroßen Tasse serviert. Die mit Dampf aufgewärmte oder leicht aufgeschäumte Milch wird oft in einem Extra-Kännchen serviert. Gemischt wird im Verhältnis eins zu eins. Häufig ist der Café con leche der Frühstückskaffee der Spanier.

Eine ähnliche, typisch spanische Kaffee-Spezialität ist der Cortado – in Katalonien und auf den Balearen heißt er Tallat, auf Kuba ist er als Cortadito bekannt – ein Espresso, der mit ein wenig aufgeschäumter Milch verschnitten wird. Mit der Zugabe gesüßter Kondensmilch wird daraus ein Café bonbón, fügt man noch geschäumte Milch dazu erhält man einen Cortado leche leche. Beide Getränke werden so zubereitet, dass die verschiedenen Schichten übereinander liegen. Da der Cortado im Glas serviert wird, kann man das gut sehen.

Die in Spanien gebräuchlichen Kaffeegläser sind hierzulande schwer erhältlich. Bestellt man in einem spanischen Online-Shop muss man mit happigen Versandkosten rechnen. Meine bedeutend billigere Lösung waren zwei Teelich-Gläser der Marke gut & günstig für 99 Cent bei Edeka. Die dunklen spanischen Röstungen lassen sich gut durch süditalienische oder sizilianische Espresso-Röstungen ersetzen. So lässt sich ohne große Kosten und viel Aufwand das Spanien-Urlaubs-Feeling auf den heimischen Balkon transportieren.
Niederlande – Koffie verkeerd
„De koffie staat klaar“, der Kaffee ist fertig, ist in den Niederlanden Einladung zum gemeinsamen Kaffeetrinken und Ausdruck der holländischen Mentalität. Koffietijd, die Kaffeezeit, bedeutet Büroklatsch, Auszeit, Plauderstunde und ist fester Bestandteil im Alltag der Niederländer. Neben Filterkaffee wird vor allem „Koffie verkeerd“, ein Milchkaffee aus 2/3 heiße Milch und nur 1/3 Kaffee. In Gläsern zubereitet zeigt ein gut zubereiteter koffie verkeerd Milch und Kaffee in getrennten Schichten, was funktioniert, wenn Milch und Kaffee unterschiedliche Temperaturen haben. Im frankophonen Teil Belgiens heißt der koffie verkeerd übrigens lait russe, Russenmilch. Er wird ebenfalls im Glas serviert.

Zum Koffie gibt es natürlich „Koekjes“, Kekse, die für die meisten Niederländer eine untrennbare Einheit darstellen. In früheren Zeiten reichte man dem Gast die geöffnete koekjestrommel, die Keksdose, aus der er sich genau einen Keks nehmen durfte. Danach wanderte die Dose sofort zurück in den Schrank. Inzwischen ist es so, dass die offene Keksdose auf dem Tische stehen bleibt und die Gäste auch mehr als ein Gebäckstück nehmen dürfen.

Vorsichtig sollte man hingegen sein, wenn man einen Pott Kaffee bestellt, denn hierbei handelt es sich nicht um eine große Tasse, ein Haferl, wie man in Süddeutschland sagen würde, sondern gleich eine ganze Kanne. Ansonsten darf man sich nicht über die für deutsche Verhältnisse sehr kleinen Tassen wundern. Das ist allerdings kein Ausdruck von Geiz, sondern hat vielmehr damit zu tun, dass Niederländer praktisch in jeder Stunde einen Kaffee trinken und zwar bis zum späten Abend.
Österreich – Wiener Melange
Kaum ein Land hat eine solche Kaffeetradition und eine solche Auswahl an Kaffeespezialitäten wie Österreich. Ja, man sagt sogar, dass der heute weit verbreitete Cappuccino ursprünglich eine Erfindung der k.u.k. Kaffeesieder sei. Inbegriff der Kaffeehaustradition der österreichischen Hauptstadt ist die nach ihr benannte Wiener Melange. Allen Missverständnissen zum Trotz: die Melange ist eben kein Cappuccino, auch wenn neuerdings eine gewisse Unschärfe einsetzt. Denn während ein Cappuccino lediglich ein Espresso mit aufgeschäumter Milch ist, definiert sich eine Melange mit einer Hälfte starken Kaffees – im Original zumeist ein Mokka – einer Hälfte heißer Milch, gekrönt von reichlich Milchschaum. Man könnte es auch so definieren, dass die Wiener Melange typischerweise mit milderem Kaffee gemacht wird als Cappuccino, der in der Regel mit starkem Espresso zubereitet wird. Ein kleiner, aber entscheidender Unterschied.

Jetzt kommt ein weiteres Definitions-Problem ins Spiel: was ist der richtige Kaffee für die Melange? Die Antwort: klar doch, ein Mokka, bringt uns nicht wirklich weiter, denn dieser Begriff wird oft falsch verwendet. Dies zeigt sich auch an den diversen Schreib-Weisen, die von Mokka, Moka, Mocca, Moca, Mocha bis Mucha reichen. Mokka bezeichnet zugleich eine Stadt, eine Zubereitungsform, eine Kaffeemischung, einen Geschmack, eine Bohnenform und ein Getränk. Hier am zutreffendsten ist der kleine schwarze, ein starker Kaffee – typischer Weise aus einer mittelbraunen Wiener Röstung – der traditionell in einer Karlsbader Kanne zubereitet wird. Leider setzt sich zunehmen – ähnlich wie beim Café au Lait in Frankreich – der Espresso als Melange-Zutat durch. Außer in den traditionsbewußten Kaffeehäusern, wie dem Sacher in Wien, Innsbruck oder Salzburg.

Die Liste gebräuchlicher österreichischer Kaffeespezialitäten mit Milch oder Sahne – genannt Obers – ist lang. Da wäre das Schalerl Gold, ein Mokka mit etwas heißer Milch in einer kleinen Kaffeeschale, der verkehrte Kaffee, der uns in den Niederlanden bereits begegnet ist, der Einspänner, ein Mokka im Glas mit Sahnehaube und Puderzucker, der Kapuziner, ein Mokka mit etwas flüssiger Sahne, der Franziskaner, ein mit etwas heißem Wasser verlängerter Mokka mit warmer Milch und Schlagsahne und schließlich der kleine und der große Braune, ein einfacher beziehungsweise doppelter Mokka mit Schlagsahne. Nicht zu vergessen der überstürzte Neumann, bei der zuerst die Schlagsahne in die Tasse kommt und dann der Kaffee. Wer jetzt meint, dass sei mache doch alles keinen Unterschied, der irrt sich gewaltig!

Morgen geht es weiter mit Milchkaffee-Variationen aus Asien! Nicht verpassen!
Bildrechte: Deutscher Kaffeeverband/Bente Stachowske (Titelbild), weedezign/fotolia.com (Bild 1), beerphotographer/fotolia.com (Bild 4), seva_blsv/fotolia.com (Bild 8), Centaur/fotolia.com (Bild 9), übrige Bilder: CoffeeNewsTom.
Danke für die sehr informative Zusammenstellung! Den österreichischen Teil werde ich sicher noch mal lesen, bevor ich wieder ins Nachbarland reise 😊.
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Immer wieder gerne!
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Danke für die informativen Zeilen. Dann würd ich eher die Kondensmilch weglassen und den Kaffee schwarz trinken, als ihn mit Milch zu verdünnen bzw. verunedeln. Aber wems besser bekommt, dem gönn ich den Milchkaffee oder wie auch immer die Bezeichnung sei. Ich etwa hab heute meinen Frühstückskaffee mit Honig gesüßt, weil ich denke, das hilft gegen meinen Reizhusten. Werd wohl noch einen trinken müssen. Hüstl ..
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Ich bin ja sonst für Kaffee, bei Reizhusten empfehle ich Dir aber folgende Kombi: frischen Ingwer klein schneiden und mit heißem Wasser aufgießen und ziehen lassen. Dazu den Saft einer Zitrone und ein, zwei Teelöffel Honig. Wirkt Wunder.
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Danke dir. Leider hab ich kein Ingwer im Kühlschrank, aber als Pulver. Ich werd das mal mit dem Streu-Ingwer versuchen, weil ich Ingwer oder Curcuma auch schon mal an Kakao mache und das kommt eigentlich recht gut. Morgen bring ich Ingwer mit, kann man immer brauchen. Hab auch Hustentropfen vom Arzt verschrieben bekommen, nützen aber leider nix, obwohl auf Opiat-Basis: Da schadet man sich eher ..
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Da hast Du Recht!
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Ja, die Kaffeewelt ist kompliziert (geworden). Danke für die Aufklärung! Das liest sich alles sehr interessant, und ich werde auf diesen Artikel ganz sicher immer mal wieder zurückkommen.
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Ich finde gerade die Vielfalt macht dieses Thema so spannend. Danke für Deinen Kommentar.
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Ja, die Vielfalt hat was!
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Mit Toms Handbuch zum nächsten Kaffee. 😂😉
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So soll das sein!
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Hätte ich in Wien gebrauchen können, dann hätte ich womöglich das richtige Getränk bekommen, anstatt eines genervten Kellners. 🙄😂
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Oder Du fährst mit Deinem frisch erworbenen Wissen einfach nochmal hin.
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Zumindest steht Wien noch einmal auf der Agenda. 😊
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Ja, stark gekürzt könnte man aus Toms Texten und Bildern einen ‚kleinen Kaffeeführer‘ auf Taschenbuch-Basis machen. Ungekürzt käme wohl eine zehnbändige Enzyklopädie über das Kaffeetrinken rund um die Welt heraus.
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Ich versuche der Encyclopædia Britannica und dem Großen Brockhaus Konkurrenz zu machen.
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Oder Kindlers Literatur Lexikon, das bei mir in zwei Umzugskartons im Keller steht. Inzwischen gibts ne CD-Rom mit dem gesamten Inhalt ..
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