Menschen für Menschen: Millionen von Kleinbauern in ihrer Existenz bedroht

Seit 1. Januar gilt in Deutschland für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden das Sorgfaltspflichtengesetz. Das europäische Lieferkettengesetz soll als europaweite Richtlinie in den folgenden Monaten Form annehmen. Das Ziel: Kinderarbeit, Ausbeutung, Diskriminierung und fehlenden Arbeitsrechten sowie Umweltstandards mit umfassenden Berichtspflichten entlang der Lieferkette begegnen. Eine solche Regelung ist aus Sicht der Stiftung Menschen für Menschen unerlässlich, doch die aktuelle Ausgestaltung könnte Millionen Kleinbauern in ihrer Existenz bedrohen.

Nach Einschätzung von Menschen für Menschen liegt in der Ausgestaltung der europäischen Richtlinie ein erheblicher struktureller Webfehler vor. Aus Sicht der Stiftung wurden und werden kleinbäuerliche Strukturen nicht berücksichtigt und die vom Lieferkettengesetz direkt Betroffenen zu spät und nicht ausreichend in die Verhandlungen über dessen Ausgestaltung einbezogen. „Anstatt die schwächsten Glieder der Lieferkette zu schützen, könnte das Gesetz dazu führen, dass Millionen von Kleinbauern vom europäischen Markt ausgeschlossen werden“, befürchtet Menschen für Menschen-Vorstand Dr. Sebastian Brandis und äußerte diese Sorge unlängst auch im Bayerischen Rundfunk.

„Es steht außer Frage, dass ein Lieferkettengesetz sinnvoll und überfällig ist, um die Welt mit ihren verästelten Lieferketten fairer und nachhaltiger zu machen. Doch die eurozentristische Perspektive greift hier einfach zu kurz. Die Ausgestaltung des Gesetzes muss so erfolgen, dass die Interessen von direkt Betroffenen, zum Beispiel Kleinbauern mit ihren Familien, berücksichtigt und diese am Ende tatsächlich bessergestellt werden“, bezieht Dr. Brandis Stellung.

Dies gilt seiner Einschätzung nach vor allem für Wertschöpfungsketten, die in Drittländern keine etablierten Strukturen haben. Das ist gerade in Lebensmittelbereichen häufig der Fall, etwa beim Kaffee in Äthiopien, wo die einzelne Kaffeebohne oft zahlreiche Stationen hinter sich hat – vom Kleinbauern über den lokalen Markt bis hin zum internationalen Exporteur. In solchen fragmentierten Lieferketten ist die geforderte Nachverfolgbarkeit heute oft noch nicht möglich.

Dr. Brandis fordert: „Die politisch Verantwortlichen müssen endlich auch den betroffenen Ländern und Kleinbauern eine Stimme am Verhandlungstisch geben, um die Komplexität, Möglichkeiten und Interessen der Ursprungsländer zu berücksichtigen. Zudem sind gezielte Unterstützungsprogramme notwendig, um sicherzustellen, dass die in den Ursprungsländern geforderte Infrastruktur in überschaubarer Zeit aufgebaut werden kann. Nur so kann eine Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette für alle Marktteilnehmer praktikabel und fair realisiert werden.“

Bildrechte: Stiftung Menschen für Menschen/Rainer Kwiotek bzw. Rainer Kwiotek/Zeitenspiegel; Quellen: Menschen für Menschen, Bayerischer Rundfunk, ots, Original-Content von: Stiftung Menschen für Menschen, übermittelt durch news aktuell. Den Link zum oben zitierten Fernsehbeitrag gibt es hier!

18 Gedanken zu “Menschen für Menschen: Millionen von Kleinbauern in ihrer Existenz bedroht

    1. Das FDP-Veto hatte allerdings ganz andere Motive. Es ging darum „das Eigentum unserer Bürger“ zu schützen. Von Verantwortung für die Menschen in den Ländern aus denen wir unsere Waren und Rohstoffe beziehen keine Spur.

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        1. So steht’s auch in meinem Draddle von letzter Woche. Menschen für Menschen hingegen ist gar nicht generell gegen ein Lieferkettengesetz, im Gegenteil, sie fordern das sogar immer wieder, aber die kritisieren die aktuelle Ausfertigung, da hier gerade Kleinbauern auf der Strecke bleiben könnten.

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  1. Ja,was wir als Kinderarbeit definieren, kann für die Kinder eines Kleinbauern Erlernen von wichtigen Life Skills bedeuten. Was haben sie von unserem Kinderschutz, wenn sie am Ende zusammen mit ihren Eltern verhungern?

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    1. Es ist ein ganz schwieriges Thema. Werden faire Preise für die Rohstoffe bezahlt, dann können die Kleinbauern ihre Kinder auch auf die Schule schicken. Bei vielen Projekten ist neben sauberem Wasser und medizinischer Versorgung auch immer Bildung ein Thema. Unterm Strich werden wir für unseren Kaffee zukünftig mehr bezahlen müssen. Da könnten wir auch gleich zu fair gehandeltem Kaffee greifen – wenn der nicht wegen einer EU-Verordnung unter die Räder kommt.

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      1. Da gebe ich dir Recht. Die Arbeit von Kindern findet aus Notwendigkeit statt, nicht weil die Menschen sich das ausgesucht hätten. Fehlende Schulbildung beraubt die jungen Menschen aller Chancen. Einmal Kaffeeerntehelfer, immer Kaffeeerntehelfer…

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          1. 1.Nicht verallgemeinern, jeder Fall ist anders, nicht immer sehen die Betroffenen „Kinderarbeit“ als negativ.
            http://www.theguardian.com/global-development/2020/nov/06/child-labour-doesnt-have-to-be-exploitation-it-gave-me-life-skills

            2.Das ganze Thema ist sehr komplex. Oft bereichern sich auch Organisationen, die behaupten, für Bildung und Entwicklung der Region zu sorgen eher selbst, als diesen Aufgaben nachzukommen.

            3. Äthiopien zum Beispiel hat eine der ältesten Hochkulturen der Welt und das Christentum war dort viel früher als in Europa. Indirekt entsteht so das Mißverständnis, wir in Europa oder D seien die kultiviertesten und gebildeten

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      2. Hallöchen, genauso schaut’s doch aus. Aber ob der Endkunde dann knapp 3Euro für die Verpackung begehrter Aufbrühware bezahlt, oder 6Euro schafft leider immer noch keine Transparenz.

        Ich denke neben dem fairen Preis für die Landwirte vor Ort wo dort dann bessere lebensbedingten geschaffen werden können, muß man den Profiteuren auf die Finger schauen und denen auch mal auf die selbigen hauen.

        Unter dem Strich bleibt dem normalen Kunden kaum die Wahl. Im regulären Discounter ist das Sortiment fest, fairen Kaffee bekommt an quasi nur bei kleinsten Anbietern (Röstern/ Bio-Discountern).

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  2. Da fehlt mir der Einblick, um sagen zu können, inwieweit man die Kleinbauern mit einbeziehen könnte, da ich die Gesetzesvorlage nicht in allen Einzelheiten kenne. Aber habe ich das richtig in Erinnerung, dass nicht mal das „entschärfte“ Gesetz nicht zustande gekommen ist? Oder gibt es inzwischen was neues?

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    1. Es gilt in Deutschland bereits seit Jahresanfang das Sorgfaltspflichtengesetz. Das europäische Lieferkettengesetz soll irgendwann folgen. Doch da gibt es – so nötig so ein Gesetz auch ist – neben Licht auch Schatten. Es gibt auch noch eine weitere EU-Richtlinie, die Kaffee zukünftig verknappen könnte, doch davon in den nächsten Tagen mehr.

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      1. Hm, ja richtig, da war was. Das war der Grund, weshalb sich deutsche Unternehmen im EU weitem Wettbewerb nicht konkurrenzfähig sehen. Bin gespannt, ob es einen weiteren Anlauf gibt, um das Gesetzt zu beschließen, oder ob man sich anderen „Baustellen“ zuwendet und das in Vergessenheit gerät.

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