Mein Kaffee-Freund (Update)

Es begann im Frühjahr. Wenn ich die Abkürzung zur Garage meines Chefs nahm, dann musste ich unter einer Autobrücke durch. Hier hatten einige Rumänen und Bulgaren einen Schlafplatz gefunden. Während am Wochenende fünf oder sechs hier unterkamen, so war es unter der Woche nur einer. Meistens schlief er, wenn ich unter der Brücke durchtauchte. Aber einmal war er wach und sah hungrig auch. Er konnte zwar kein Deutsch, aber etwas English. Ich fragte ihn, ob er eine Tasse hat und er holte sie. Da füllte ich sie mit Kaffee aus meiner Thermoskanne auf. Und da eine Tasse Kaffee noch kein richtiges Frühstück ist, gab ich ihm die Hälfte meiner Brote, die ich mir für die Taxischicht geschmiert hatte.

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Das wiederholte sich einige Male. Schlief er, dann ließ ich ihn schlafen, war er wach, dann wurde geteilt. Mit seinem fast zahnlosen Mund lächelte er mich an. Er sei aus Bulgarien, ließ er mich wissen. In München gibt es eine große Gruppe obdachloser Menschen aus Bulgarien. Sie schlafen unter Brücken oder in Parks. Einige von ihnen leben so schon seit über zehn Jahren hier. Sie verdingen sich auf den Arbeiterstrich am Bahnhof, um wenigstens etwas zu verdienen.

Auf dem Papier sind sie EU-Bürger. Von unserem sozialen Netz aber profitieren sie nicht. Das Problem: In ihren Pässen ist ein Wohnsitz in Bulgarien eingetragen. Kommen sie nach Deutschland, dann wird dies zumeist nicht geändert. Für die Münchner Behörden haben sie damit keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Der Nachweis, dass der bulgarische Wohnsitz nicht mehr existiert, ist von München aus kaum zu erbringen. So fallen vor allem Rumänen und Bulgaren, viele von ihnen Roma ohne Perspektiven im Heimatland, durch den Rost.

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„Mein“ Bulgare hatte sich aus Bauzäunen ein kleines Gehege gebaut, abseits von den Anderen. Hier hatte alles Seinen Platz: sein Schlafplatz, sein Fahrrad, an dem er oft herumschraubte, sein Wasserkanister und sein Besen, mit dem er sein Areal fegte. Vor kurzem wurde das „wilde Camp“ geräumt. Wegen der Feuergefahr, heißt es. Ein Feuer habe ich dort nie gesehen. Der Bulgare machte sich, wie ich herausfand, seinen Kaffee mit Instantpulver und kaltem Wasser. Geblieben ist von ihm nur seine Tasse…

36 Gedanken zu “Mein Kaffee-Freund (Update)

  1. Die Behörden vergessen oft, dass jeder Mensch eine Würde hat. Anders im Rodgau, da haben sie zwei Tippelbrüdern, die sich in einer dieser Waldhütten ‚häuslich‘ eingerichtet hatten, sogar einen Blitzableiter installiert. In anderen Ortschaften, wurden sie auch mal von Polizei höchstpersönlich zum Ortsausgang gefahren nach dem Motto: Scheißegal, was mit euch passiert, hauptsache nicht in unserem ’sauberen‘ Ort. Saubere Lösung, oder? Wer nie obdachlos war, kann Obedachlosigkeit nicht nachvollziehen, bis auf einige Menschen mit einem großen Herzen und einem Schuß Empathie. Danke Tom!!!

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  2. Das Gedicht sagt die Wahrheit und ist auch klanglich ein Kunstwerk. Ein Edgar Poe hätte dein Gedicht sehr genossen. Zu Poes Zeiten war die Natur noch einigermaßen intakt, aber er hatte schon voraus gesehen, dass die Wiesen und Wälder verschwinden werden .. Die heutigen Wolkenkratzer allerdings gingen über seine Vorstellungskraft. Ich bin großer Poe-Fan .. Schöne Restwoche dir, meine Liebe ❤

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      1. Auf jeden Fall ist es eine Art von Hilfe wie ich es nicht machen könnte.
        Ich bin da anders,
        ich helfe tatsächlich gerne,
        aber eher mit dem was ich nicht brauche oder abgebe.
        Ich hab das nicht mehr so mit der Szene und im allgemeinen meine Schwierigkeiten damit.
        Ich ziehe den Hut vor Dir der da seinen Kaffee teilte,
        was selbstverständlich sein sollte.
        Ist es aber weiß Gott nicht.

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        1. Den anderen seinen Schrott aufdrängen zeugt eher von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Ich meins bitte nicht persönlich, nur fachlich analytisch als Psychoanalytiker im Nebenfach zu Germanistik. Ansonsten alles gut bei dir? Klappts mit Freundschaften oder auch hier egoistische Abkapselung?

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          1. Ich dränge niemanden was auf,
            ich bringe es zum DRK SHOP, zu Oxfam und in die Hamburger Spendabel Läden.
            wo ich selber auch meine Klamotten einkaufe.
            Ich hab das im allgemeinen nicht so mit Menschen und Freundschaften oder Familie.
            Im allgemeinen bin ich lieber alleine und das hat sehr wenig mit Egoismus zu tun.
            Mir reicht ich und mein Partner völlig,
            der ähnlich geartet ist.
            Und Schrott kommt in den Müll, aber Bücher bringe ich zu Tauschregalen und andere Sachen auch.
            Manches verkaufe ich über Amazon.
            Und einmal im Jahr wird hier Flohmarkt gemacht.
            Wo man mal mehr, mal weniger los wird.
            Ich wüsste nicht was das mit Narzissmus oder Persönlichkeitsstörung zu tun hätte.
            Manche Menschen sind eher introvertiert dazu zähle ich mich im allgemeinen.
            Ich war lange in der Szene und hab mich immer versucht da rauszuhalten,
            war selber Obdachlos und bin froh dass ich es heute nicht bin.
            Mir wurde von der Kemenate dem Tagestreff für Obdachlose Frauen in Hamburg damals sehr geholfen.
            Mir ist so das es damals der einzige in Deutschland war.

            Obdachlose Frauen ist ein schwieriges Thema finde ich.
            Das werden immer mehr und simit auch ein größeres Thema.
            Ich kann nicht unbedingt vorbehaltslos auf andere zugehen und erwarte es auch nicht von Anderen.
            Das liegt oft an der Art was man selber erlebt hat oder wie man sozialisiert ist denke ich.

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              1. Das was ich schreibe sind tatsachen.
                Manchmal ganz ganz selten verschenke ich meine alten Sachen an jemanden zum Geburtstag, wenn ich weiß,
                dass sich Jemand anderes tatsächlich drüber freut und das hat nichts auch gar nichts mit aufdrängen zu tun.
                Eher mit Upcycling.
                Ich vermute eh das ist in deiner Welt ein Fremdwort.

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                1. Ich muss mein Recht auf freie Meinungäußerung überall wahrnehmen dürfen. Wo diese meine Freiheit eingeschränkt wird – etwa durch spitze Bemerkungen wie von dir eben – kann ich leider nicht mehr auftreten. Das Blog gehört auch nicht dir, sondern WordPress und hier gelten die Regeln des Grundgesetzes. Freie Meinungsäußerung für jeden. Eigentlich müsste ich dich fragen: „Kannst es nicht lassen, oder?“ Aber ich will mich nicht streiten. Kürzen wir es ab und scheiden in Frieden ..

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            1. Gutmenschengehabe

              Die Ritter der Armen und Enterbten
              haben bei mir keine Chance.

              Ich bin auch sozial und gerecht eingestellt,
              aber nicht bis zur Selbstverleugnung.

              Wer seine durchlöcherten Socken verschenkt,
              mag sich vor sich selbst gut vorkommen,

              aber geholfen ist damit keinem.

              ©PP

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              1. Ich wasche alles was ich verschenke,
                also kannst Du mich damit wohl kaum meinen.
                Aber wer tatsächlich Dinge verschenkt oder Spendet die Löcher haben sind meistens die viel Kohle haben.
                Hatten wir in meiner letzten Arbeitstelle und wehe man hat was gesagt.
                Der ganze Dreck wird dann auf Kosten der Träger in den Müll geworfen die Ihr mit eurem Steuergeldern bezahlt.
                Und merk dir mal eines, nur weil ich nicht arbeite bin ich nicht gleich arbeitscheu.
                Du kannst Dir nicht im Geringsten ein Urteil bilden.
                Dann tue es doch bitte auch nicht.
                Ganz schön großkozig der Herr PP.

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          2. Ich weiß nicht ob ich so begeistert bin, wenn Du meine KommentatorInnen analysierst. Zumindest aufgrund von Kommentaren. Und dann auch noch gleich eine von Dir diagnostizierte narzisstische Persönlichkeitsstörung in Kombination mit egoistischer Abkapselung.

            Du weißt, ich schätze Deine Kommentare und gewiss hast Du was Psychologie betrifft, eine gewisse Expertise. Aber als Laie scheinen Deine Kommentare in diesem Fall unpassend hart. Ich versuche mich da in Anneeulia hinein zu versetzen. Ob es mir gelingt weiß ich natürlich nicht.

            Um so offener ihre Antwort darauf. In meinen Augen hat sie damit Deine „Diagnose“ eher widerlegt als bestätigt. Jeder hilft halt auf seine Weise, Du mit Deiner, Anneeulia mit ihrer, ich mit meiner. In meinen Augen ist nichts besser oder schlechter (oder gar pathologisch), Hauptsache man verschließt sich nicht dem Mitgefühl gegenüber anderen. Bitte richtig verstehen. Nicht als Angriff. Ich hatte aber das Gefühl, dass ich das kommentieren sollte, so lange es in meiner Kommentarspalte passiert.

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            1. Das Thema ist ja Armut im allgemeinen und besonders in Städten.
              Ich bekomme selber nur Bürgergeld und gerade mein Leben nicht so auf die Reihe wie es sich gehören würde.
              Trotzdem kann man anderen immer irgendwie helfen.

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    1. Viel bedenklicher finde ich es, dass gestern die CSU in München erklärt hat, Obdachlose aus München ausweisen zu wollen, da „das subjektive Sicherheitsgefühl in München sinke“. Man könnte auch sagen sie passen nicht ins Stadtbild…

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      1. Ich hab mal einen sehr einfühlsames Interview mit einem Obdachlosen in einer kostenlosen schweizer Zeitung, die sich durch Werbung finanzierte, veröffentlicht. Ich bekam sogar ein gutes Honorar dafür. Der Tippelbruder ist inzwischen verstorben und ich wurde informiert, weil er meine Rufnummer bei sich trug, denn ich bot ihm einen Platz in meiner Wohnung an, aber er wollte nicht seßhaft werden und sagte: „Wenn du ein paar Schuhe auf der Straße abgelaufen hast, kommst du nicht mehr von der Straße runter“. Es gibt Städte, die bezahlen Obdachlosen ein Hotelzimmer, bis sich eine feste Unterkunft für sie findet, aber die Obdachlosen wollen nicht .. Man kann sie nicht zwingen, aber etwas Druck kann nicht schaden, damit sie ihre Situation überdenken. Es ist leider auch meist mit Alkohol verbunden und solange sie diesen haben, ist ihre Welt für sie selbst in Ordnung. Wenn du eine feste Adresse hast, bekommst du auch Arbeit. Die Zeitungen suchen ständig Zeitungsträger und da gibt es Mindestlohn über 12 Euro und 30 Prozent Nachtzuschläge steuerfrei dazu. Jeder, der will, kann im Leben wieder Fuß fassen, aber meistens steht eine Dose Bier näher. Ich verurteile das nicht, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, was die Sucht aus einem Menschen macht. Nicht jeder hat die Kraft sich selbst wieder aus dem Sumpf zu ziehen und es nützt nix, einem zu helfen, der dann doch wieder rückfällig wird. Ja, das sind Probleme, die man durch Platzverweis nicht lösen kann. Das zeigt nur die Hilflosigkeit mancher Politiker ..

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        1. Ich stimme Dir generell zu, nur das mit dem Zeitungsaustragen ist etwas heikel. Klar, die Verlage müssen den Mindestlohn zahlen. Sie umgehen das aber in dem sie einen Stücklohn ansetzen. Sie zahlen also nur auf dem Papier Mindestlohn, da die dafür nötigen Stückzahlen nicht zu erreichen sind. Da hast Du für eine Zustellung irgendwas zwischen 23 und 40 Sekunden Zeit. Das ist nicht zu schaffen. Eine Lücke im Gesetz.

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  3. Ich arbeite selbst bei einer Zeitung und die Zeitungsträger wurden alle angewiesen, ihre tatsächlichen Zeiten anzugeben, die sie benötigen, inclusive auspacken und laden. Und wenn diese Zeiten einigermaßen real erschienen, wurden sie genehmigt. Das wird sehr streng kontrolliert. Wir versorgen die Träger auch mit Winterjacken, Handschuhen, Taschen usw. Es muss auch kein Träger mehr kassieren, geht alles mit Abbuchungsauftrag. Der Job ist auch deshalb gut, weil jeder sein eigener Chef ist. Keiner steht hinter dir und kannst die Route selbst bestimmen und wann du anfängst oder aufhörst. Nur sollte die Zeitung bis 6 Uhr im Kasten/Rohr sein und bei Glatteis muss keiner nachts fahren. Das gibt dann Nachlieferungen, wenn gestreut ist. Da kommt die Zeitung eben mal erst um 11 Uhr. Wir entschuldigen uns dann bei den Kunden am nächsten Tag für die Verspätung. Und an Weihnachten gibts Trinkgelder von den Kunden. Da kommen vierstellige Beträge zusammen. Ich hab selbst einen Träger in der Familie und der ist glücklich mit seinem Zusatzjob. Schwarze Schafe in der Branche haben keine Chance, weil die meisten Zeitungen einen Betriebsrat haben und zudem wird den Mitarbeitern durch den gewählten Betriebsrat der Eintritt in die Gewerkschaft empfohlen. Ich will jetzt kein Rechthaber sein, aber ruf ruhig mal beim Vertrieb der Offenbach-Post an, vielleicht hast du mich sogar dann am Telefon ..

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  4. Ich habe vor einigen Jahren eine ganz ähnliche Erfahrung gemacht, als ich noch in Bonn gearbeitet habe. Ich bin jeden Morgen mit dem Rad von Beul durch die Rheinaue Richtung Konrad Adenauer Brücke gefahren. Unter der Brücke hatte auch im Winter ein Obdachloser sein Zuhause eingerichtet.

    Die Begegnung war „magisch“. Ich hatte das Gefühl nicht dem Körper in schmutziger Kleidung zu begegnen, sondern dem, der im Herzen des Körpers gewohnt hat. Ich hatte in meinem Leben mehrere Begegnungen dieser Art, die sich in mein Gehirn eingraviert haben.

    Die Begegnung hat mich gelehrt weniger auf Äußerlichkeiten zu achten.

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