Ochi-Tag: Griechenland sagt Nein!

Noch am Abend des 26. Oktober 1940 gab die italienische Botschaft in Athen eine Operngala. Schon zuvor hatte der „Duce“, der Führer Italiens Benito Mussolini immer wieder die Freundschaft zu Griechenland propagiert. Aufgeführt wurde Giacomo Puccinis Oper Madame Butterfly. Der italienische Botschafter Emanuele Grazzi toastete mit Metaxas und dem griechischen König Georg auf die griechisch-italienische Freundschaft. Anschließend wurde eine Torte gebracht, welche die Inschrift „Lang lebe Griechenland“ trug.

Um kurz nach drei Uhr morgens am Montag, den 28. Oktober 1940, suchte der italienische Botschafter Emanuele Grazzi das Wohnhaus von Metaxas im Athener Vorort Kifissia auf. Metaxas empfing den Botschafter im Morgenmantel und in Hausschuhen, er bat ihn ins Wohnzimmer. Der Botschafter Emanuele Grazzi überreichte ihm ein Telegramm, das ihm seine Regierung zugesandt hatte. Es beinhaltete die Forderungen, dass Griechenland den Achsenmächten erlauben sollte, griechisches Territorium zu betreten und nicht näher spezifizierte „strategisch wichtige Punkte“ zu besetzen, eine Ablehnung dieser Forderung würde ab 6:00 Uhr mit Krieg beantwortet werden.

Benito Mussolini in Mailand. Wikipedia/Bundesarchiv.

Wenngleich Metaxas seine Tränen kaum halten konnte, blieben seine Worte sehr sachlich: „Sowohl die Sache, als auch die Art und Weise, sehe ich als Kriegserklärung Italiens.“ Wie Grazzi in seinen Erinnerungen schreibt, lautete Metaxas’ wörtliche, auf Französisch formulierte Antwort „Alors, c’est la guerre“ („Nun, dann ist Krieg“). Grazzi erwiderte daraufhin „Pas nécessaire, mon excellence“ („Nicht notwendigerweise, Exzellenz“), woraufhin Metaxas entgegnete „Non, c’est nécessaire“ (etwa: „Doch, es ist notwendig“). Aufgrund seiner Herkunft von den Ionischen Inseln hegte Metaxas Sympathien für Italien und galt als Freund Deutschlands (wenngleich nicht zwingend der Nationalsozialisten), das Ultimatum traf ihn daher auch persönlich. Das Gespräch zwischen Metaxas und Grazzi gab die Tageszeitung Ellinikon Mellon in ihrer Ausgabe vom 30. Oktober 1940 in der Schlagzeile verkürzt als „Ochi“ wieder, dies trug wesentlich zur Verbreitung dieser Verkürzung bei.

Mussolini führte seit Mai 1940 seinen „guerra parallela“, seinen Parallelkrieg gleichzeitig neben den Kriegen Deutschlands. In Anbetracht der schnellen Siege Nazideutschlands wollte er als Feldherr nicht zurückstehen und ebenfalls seinen Einflussbereich erweitern. Bereits im Jahr davor hatte Italien Albanien besetzt. Nun sollte Griechenland in den Krieg gezwungen werden. Das Gipfelte am 15. August 1940 in der Torpedierung des griechischen Leichten Kreuzer Elli im Hafen von Tinos, der dort wegen der Feierlichkeiten am Muttergottestag geankert hatte, durch das italienische U-Boot Delfino unter dem damaligen Kommandanten Giuseppe Aicardi. Neun Matrosen fanden den Tod. Der Diktator Ioannis Metaxas wollte dennoch sein Land im Zweiten Weltkrieg neutral halten und reagierte daher auf diese Provokation nicht.

Ellinikon Mellon, Ausgabe vom 30.10.1940. Wikipedia.

Doch wer war dieser Mann, der Mussolini die Stirn bot? Ioannis Metaxas entstammte der adeligen Familie Metaxa. Der erfolgreiche Schüler und begabte Mathematiker schlug neben seinem Studium eine militärische Laufbahn ein. 1890 erreichte er den Rang des Unterleutnants, anschließend studierte er Maschinenbau, brach aber aufgrund seiner Berufung zum Generalleutnant ab. Während des Türkisch-Griechischen Krieges 1897 befreundete er sich mit dem deutschlandfreundlichen Thronfolger Konstantin I., der ihm ein Stipendium zum Studium in Deutschland vermittelte. Ein Studium an der preußischen Kriegsakademie schloss er 1902 mit Auszeichnung ab.

Zurück in Griechenland arbeitete er an eigenen Reformideen für das Heer, ließ sich in das griechische Parlament wählen und unterrichtete Prinz Andreas und Prinz Georg von Griechenland in Militärgeschichte und Militärstrategie. Im Balkankrieg war er ab 1913 stellvertretender Generalstabschef, ab 1915 Chef des Generalstabs. Er war ein Gegner der von Eleftherios Venizelos betriebenen Kriegs- und Expansionspolitik gegen das Osmanische Reich, die Venizelos auf Seiten der Entente verfolgte. Venizelos war ein Verfechter der „Megali Idea“, der Idee eines Groß-Griechenlands, die erst mit der „kleinasiatischen Katastrophe“ ihr vorläufiges Ende fand. Metaxas wurde allerdings nach Venizelos Wahl zum Ministerpräsidenten von den Franzosen auf Korsika interniert. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil unterstützte er eine royalistische Gegenrevolution und war in den folgenden Jahren in verschiedenen Funktionen Mitglied mehrerer Regierungen.

Mussolini und Hitler in München. Wikipedia/Bundesarchiv.

Seine große Stunde schlug, als er eine durch die Wahlen von 1936 entstandene Patt-Situation im Parlament dazu nutzte seinerseits die Macht zu ergreifen. Sein Ziel war der „Neo Kratos“, der neue Staat, der eine „Dritte Griechische Kultur“ begründet, nach der ersten in der Antike und der zweiten in Byzanz. Dabei war Metaxa kein Faschist. Eine gezielte Vereinheitlichung und Aussöhnung der Gesellschaft war ein primäres Ziel seiner Politik: „Ein Ideal, das in der Lage ist die Griechen zu begeistern, ihre Seele zu erfüllen, ihnen Ziel und Sinn im Leben zu geben und sie alle solidarisch auf die große Errungenschaft hin verbindet, [kann] kein anderes sein, als das nationale Ideal.“

Metaxa führte einen Mindestlohn, den 8-Stunden-Tag und eine Sozialversicherung ein. Auch standen Juden in seinem Staat unter einem besonderen Schutz. Griechische Juden hatten eine starke emotionale Bindung zu Griechenland. Metaxas bezeichnete die griechischen Juden als „Kinder Griechenlands“. Antisemitismus bekämpfte er durch ein striktes Pressegesetz und Zensur. Auf der anderen Seite ging er unerbittlich gegen politische Gegner vor und schränkte Bürgerrechte und Meinungsfreiheit ein. 1938 schloss er einen Freundschafts- und Neutralitätsvertrag mit der Türkei.

Ioannis Metaxa 1937. Wikipedia/Archaeological Society at Athens.

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges hielten Metaxas und König Georg II. strikt an der griechischen Neutralität fest. Die zunehmenden Provokationen Italiens ignorierte er beflissentlich. Diese Neutralität hielt bis zu eben jenem Morgen des 28. Oktober 1940. Als Antwort auf Metaxas’ Ablehnung von Mussolinis Ultimatum marschierten italienische Truppen von Albanien aus – einem damals italienischen „Protektorat“ – schon um 5:30 Uhr in Nordgriechenland ein. Damit war Griechenland als kriegführende Partei in den Zweiten Weltkrieg eingetreten. Am Vormittag des 28. Oktober gingen große Teile der griechischen Bevölkerung ungeachtet der eigenen politischen Orientierung auf die Straße, um ihren Protest gegen den italienischen Einmarsch zu bekunden. Dieser Tag des nationalen Widerstands wird bis heute jedes Jahr mit Paraden, Umzügen und Kundgebungen gefeiert.

Obwohl zahlenmäßig weit unterlegen – 30.000 Griechen standen etwa 70.000 besser ausgerüsteten Italienern gegenüber – schlug die griechische Armee die Italiener und drängte sie bis nach Albanien zurück. Statt eines „Spaziergangs nach Athen“ (wie Mussolini auf einer Besprechung in Florenz den Angriff genannt hatte) zum Jubiläum des Marsches auf Rom mussten die Achsenmächte ihre erste Niederlage kassieren, die auch die erste in der fast 20-jährigen Erfolgsgeschichte des Faschismus in Europa war. Hitler, der mitten in der Planung eines Krieges gegen die Sowjetunion war und der über den italienischen Angriff vorab nicht informiert worden war, schlug Mussolini mit einem Lineal auf die Finger, wie dieser gekränkt später seinem Schwiegersohn erzählte.

Ochi-Tag in Naxos. Wikipedia/Zde

Im April 1941 startete Hitler den Balkanfeldzug gegen Griechenland, der im Mai 1941 mit der Eroberung Kretas endete. Hitler beauftragte die Durchführung der Kapitulation „ohne Mitteilung an Italien“, um möglicherweise Mussolini einen Denkzettel für den gescheiterten Angriff auf Griechenland zu geben. Der geplante Überfall auf die Sowjetunion („Unternehmen Barbarossa“) verzögerte sich und rückte jahreszeitlich in eine schlechtere Ausgangsposition. Das mag Spekulation sein, aber es ist durchaus möglich, dass Europa seine Freiheit zumindest zum Teil dem griechischen Widerstand verdankt, beziehungsweise weil ein Mann am Morgen des 28. Oktobers 1940 „Nein!“ gesagt hat.

Quellen: Wikipedia, du-bist-grieche.de, hellasblog.de. Bildrechte: Titel-Bild von Pexels auf Pixabay, Textbilder: siehe Bildunterschrift.

6 Gedanken zu “Ochi-Tag: Griechenland sagt Nein!

  1. Du wolltest ja so wenig Politik wie möglich bringen, aber manche Dinge sind dir doch Pflicht zu bringen. Auch ich bin ein Freund der Griechen, mit denen ich ganz anders befreundet bin als mit den hinterhältigen Italienern oder den eigensinnigen Spaniern (meine Erfahrung, aber man kann nicht alle in einen Topf werfen). Die NS-Vergangenheit wurde zu meiner Schulzeit leider unterschlagen. Deshalb bin ich für jede Aufhellung dankbar und freue mich mit dir über dieses mutige „Nein!“, das so oft an den wichtigen Stellen gefehlt hat, weil der Mensch feige ist und mehr an seinem eigenen Leben hängt, als am Allgemeinwohl .. Guter Bericht. Danke!!!

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