Samiotisches Kaffeetagebuch II: Posidonio, Amos Psili und ein Abend am Balkon

Nach so viel Völlerei wollten wir uns noch etwas bewegen. Mit dem Auto ging es deshalb an Pythagorion vorbei und über Paleokastro nach Posidonio. Eine schöne Fahrt über sanfte Hügel und durch lauschige Täler. Jedes dieser Täler hat seinen ganz eigenen Charakter. Man fährt über eine Kuppe und plötzlich befindet man sich in einer ganz anderen Landschaft mit anderer Vegetation. Dieses Phänomen kannte ich schon von Kreta.

Ziel dieser überschaubaren Tour war Posidonio, das Dorf des Poseidon. Posidonio, auch Possidonion, ist ein kleiner Fischerort umgeben von Olivenhainen und liegt im Osten der Insel Samos. Gab es hier früher nur ein paar Häuser und zwei Tavernen, so hat sich das in den letzten Jahren geändert. Der Ort ist gewachsen und wesentlich stärker frequentiert als früher. Am stärksten bemerkt man dies an der neuen Bebauung der Bucht auf der linken Seite. Auch ein Hotel mit Swimmingpool ist hinzugekommen, sowie zwei Pensionen. Neben dem Restaurant befindet sich ein kleines ansprechendes Café mit Stühlen und Tischen auf einer kleinen Terrasse – das Ziel unseres kleinen Ausflugs.

Der Ort hat seinen Namen von einem Poseidontempel in grauer Vorzeit. Der lag nahe der Küste auf einer kleinen Anhöhe und korrespondierte mit einem zentralen Heiligtum auf der gegenüberliegenden Seite der Meerenge – hier liegt das türkische Festland mit etwa 1,2 km zum Greifen nahe – im Mykale-Gebirge. Der griechische Geschichtsschreiber und Geograph Strabon erwähnt beide Tempel und gibt deren Distanz mit sieben Stadien an. Der andere Tempel ist das archaische Panionion, das gemeinsamen Heiligtum des „heiligen Bündnisses“ auf dem Berg Samsung Dagi. Dort stand der Tempel, der Altar, und der heilige Hain des Elikion Poseidon. Dort soll es auch ein Parlament mit Sitzmöglichkeiten gegeben haben, die wie in einem Amphitheater angeordnet waren. Hier wurden die jährlichen Versammlungen des Bündnisses abgehalten und hier wurden religiöse Feste gefeiert und Kampfübungen durchgeführt.

Vor zwei Jahren hatte ich versucht die Ruinen des samiotischen Poseideontempels zu erwandern, von dem nur noch die Grundmauern stehen, und scheiterte. 2024 gab es noch eine Markierung auf Google Maps, die leider inzwischen gelöscht ist. Mit einer ausgedruckten Karte in der Hand fragte ich den Tavernenwirt nach dem besten Weg. Die Bewohner des Dorfes wissen nämlich, wo der Tempel einst lag. Doch wer das Gelände nicht kennt ist aufgeschmissen. Am besten führe man mit dem Boot zum Strand von Paralia Sideras und versuche es von dort. Für heute ist dieses Unterfangen zu umfangreich.

Also beließen es wir bei einem entspannten Frappé am Meer. Das ist ja schließlich auch nicht schlecht. Am Rückweg machten wir noch Halt in Psili Amos, was soviel heißt wie „feiner Sand“. Auf Samos gibt es zwei Orte dieses Namens. Beide haben einen schönen Strand mit – man ahnt es schon – feinem Sand. F. ging wieder ins Wasser, mir war das noch zu frisch. Aber ein Stündchen auf einer Liege in der Sonne ist auch nicht zu verachten.

Zurück in Ireon wurde die Frage nach einem Abendessen abschlägig beantwortet und zwar von uns selbst. Nach der Völlerei am Mittag wollten wir diese Mahlzeit schlicht ausfallen lassen. Und da schließt sich der Kreis vom Morgen: ein Kühlschrank mit zwei Flaschen lokalem Bieres ist Goldes wert. Eine Packung griechische Chips mit Oregano-Geschmack runden das Angebot ab.

Es war ein warmer, sonniger Tag gewesen und ebenso warm war der Abend. Also blieben wir einfach auf meinem kleinen Balkon, an dem wir am Morgen schon ein improvisiertes Frühstück eingenommen hatten. Durch eine Lücke zwischen den Häusern gegenüber konnten wir das Meer sehen. Bei der kleinen Taverne direkt am Meer gingen die Lichter an. Nur Gäste wollten sich keine einfinden. Ostern ist ein Fest, dass die Griechen abends gerne mit ihrer Familie feiern.

Der Himmel färbt sich langsam ein. Erst ein zartes Rosa, dann ein dunkles Violett und schließlich ein kräftiges Blau. Ireon scheint wieder in seinen Dornröschenschlaf zu versinken. Je ruhiger es um uns wird, desto deutlich hören wir das Meer. Eine Melodie, die ich überaus liebe. Schließlich wird es Nacht. Ein ereignisreicher Tag geht zu ende. Dies letzte Bild hängt neben meinem Bett. Ich schaue manchmal darauf, wenn mich kurz vor dem Einschlafen die Sehnsucht nach Griechenland packt. Christus ist auferstanden – und wir gehen jetzt ins Bett.

Quellen: insel-samos.net, griechenlandweb.de, topostext.org

9 Gedanken zu “Samiotisches Kaffeetagebuch II: Posidonio, Amos Psili und ein Abend am Balkon

  1. Stehen eigentlich die Windmühlen in der Lasithi-Hochebene noch?
    Ich bin mal vor vielen Jahren mit einer 250er Enduro bei einer eigenen Erkundnungstour vorbegefahren. Ein traumhaftes Bild war das.

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      1. Vielen Dank!
        Ich war im Juli dort, es war brutal heiß und meine Freundin wollte nur am Strand chillen. Da bin ich allein losgezogen und bin mit dem Moped in die Berge, Herrlich kühle Luft da oben, ich meine es waren bis 1500m hoch. Ich kam über einen Bergkamm und die Ebene mit den Orangenplantagen und den weiß bespannten Mühlen lag vor mir. Ich musste anhalten. Wunderschön und eine tolle Erinnerung. Heute leider etwas enttäuschend.

        Ich hab’s irgendwie noch grüner und dichter als hier https://greececars.gr/de/lassithi-plateau/ in Erinnerung.

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  2. Der erste Satz hat das Zeug zu großer – zeitgemäßer! – Literatur. Nach der Völlerei der Bewegungsbedarf, ergo Autofahrt! Dass später auch ein Fußweg kommt oder, da das Ziel doch etwas versteckt gelegen scheint, käme, dient als nachtraglicher Regulator.
    Dass der Poseidon hier nur ein Dorf bekam wird ihn verdrießt haben. Gehört er doch, Odysseus kann ein langes Lied davon singen, zu den Göttern, die besonders rasch beleidgt sind.

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