Samiotisches Kaffeetagebuch II: die Akropolis des Polykrates

Drei große Bauwerke werden Polykrates, dem Tyrannen von Samos, zugeschrieben – ob zu Recht oder zu Unrecht, darüber streiten sich heute Archäologen wie Historiker. Herodot war es, der in seinen Historien Polykrates als Urheber der drei großen samischen Bauten benennt. Herodot zählt dazu den Tunnel des Eupalinos, das Heraion und den Hafen von Samos. Die gewaltige Stadtmauer und die dazugehörige Akropolis müsste eigentlich dazugezählt werden, ist sie doch weit größer als die in den Historien erwähnten Bauwerke.

Polykrates, geboren wohl um 570 v.Chr. und im Alter von 32 Jahren gewaltsam an die Macht gekommen, liebte Superlative. Der Hera-Tempel des Heraion war der größte in ganz Griechenland, sein Hafen bot etwa einhundert Fünfzigruderern Platz, den damals modernsten Schiffen der griechischen Seefahrt, die allenthalben Samaina genannt wurden und deren Umrisse heute die Etiketten der gleichnamigen Weine zieren. Diese, für die damalige Zeit riesige Flotte, war ideal für die beiden Erwerbszweige, in denen Polykrates hauptsächlich tätig war, nämlich Handel und Piraterie.

In Samos errichtete er für sich selbst einen Palast, der später selbst vom römischen Kaiser Caligula bewundert wurde, so die Sage. Auch der ägyptische Pharao Amasis war bei ihm zu Gast und staunte über derlei Pracht, orakelte aber, dass so viel Glück und Reichtum den Neid der Götter nach sich ziehen müsste. Er sollte Recht behalten. Nach Herodot nahm der Tyrann ein grausames und in seinen Augen unwürdiges Ende. Die größte baumeisterliche Leistung dürfte jedoch die über sechs Kilometer lange Stadtmauer von Samos gewesen sein.

6.500 Meter war diese Stadtmauer einst lang, bewehrt mit 12 Toren, 35 Türmen und Kastellen. Ganz oben auf dem Berg hoch über der Stadt thronte eine Akropolis, die die anderer Städte in den Schatten stellte. Als später die Athener Samos eroberten wurde die Mauer teilweise zerstört, um das Jahr 300 v.Chr. aber von den nach einem Edikt Alexanders des Großen in ihre Heimat zurückkehrten Samioten wieder aufgebaut. Einige Mauerreste sind leicht zugänglich, im Westen der Stadt bei den römischen Thermen zum Beispiel. Andere hingegen sind schwerer zugänglich, wie eben die Akropolis. Und genau die wollen wir heute suchen und natürlich auch finden.

Von dem Weg dorthin weiß ich nur, dass er beim Kloster Panagia Spiliani beginnen soll. Doch wo genau? Einige der Wege scheinen eher für Gämsen geeignet zu sein. Da hilft nur eines: zurück zum Kloster und den Abt fragen. Mit „Akropolis“ kam ich nicht weiter, aber mit „Kastelli“ hatte ich Erfolg. Der Weg beginnt in der Kurve unterhalb des Klosters und führt hinter dem Kloster den Berg hinauf. Nach einer Weile kommt man zu einer Höhle, die offenbar heute als Stall benutzt wird. Noch weiter hinauf, dann werden wir nicht nur mit einem phantastischen Blick über Pythagorion belohnt, sondern auch mit beeindruckenden Festungsresten, die hier die Zeiten überdauert haben.

Den Grat entlang finden sich immer wieder wuchtige Mauern. Hier könnte man Absteigen zum nördlichen Ende des Eupalinus-Tunnel und zu den Ruinen des Aquäduktes. Für heute ist uns das zu mühsam. Wir marschieren lieber Richtung Flughafen bis an den Westrand der Mauer. Von hier oben hat man auch einen guten Blick auf einen gut erhaltenen Wachturm aus der Zeit des Polykrates. Angesichts dieser Leistungen muss man den Begriff des Tyrannen vielleicht sogar etwas relativieren. In der Antike meinte man damit die unumschränkte Alleinherrschaft eines Machthabers über eine Polis, einen Stadtstaat oder Staat.

So hatte auch Herodot von Polykrates eine eher hohe Meinung. Ein so mächtiger Herrscher zog auch einige Geistesgrößen seiner Zeit an. Der Architekt Rhoikos, der Künstler Theodoros, der Bildhauer Geneleos, der Ingenieur Eupalinos, die Dichter Anakreon und Ibykos sind einige der bedeutenden Persönlichkeiten, die am Hofe des Tyrannen hervorragende Dienste leisteten. Zur gleichen Zeit wurde auf der Insel die große Persönlichkeit der Philosophie und Mathematik, Pythagoras, geboren. Letzterer findet nach seiner Rückkehr aus Ägypten – er war in Milet Schüler bei Thales und Anaximander, später bei ägyptischen Priestern und er soll sogar nach Babylon gelangt sein, um seinen Wissensdurst auch hier zu befriedigen – nur wenig Zuspruch für seine für die damalige Zeit progressiven Lehren. Vor Polykrates muss er sich lange verstecken, auch in Höhlen. Bis ihm die Sybille Phemonoe orakelt, dass er seine neue Heimat in Italien suchen soll. Der Rest ist Geschichte.

Wir machen uns wieder auf den Rückweg, stets eingedenk der Tatsache, dass wir uns ständig auf historischem Boden bewegen. Alleine die Strecke, die wir zurücklegen müssen, verdeutlicht die gewaltigen Ausmaße dieses Bauwerks für die Ewigkeit. Und erst jetzt erkennen wir die Größe, die das antike Samos gehabt hat. Kein Wunder, dass diese Stadt einst in einem Atemzug mit Athen, Karthago, Korinth oder Memphis genannt wurde. Rom oder Alexandria gab es damals noch gar nicht.

Wir kommen zurück zum Kloster und damit zu unserem Auto. Nach so viel Geschichte steht uns der Sinn nach etwas Gegenwart – und natürlich nach Kaffee. Doch davon morgen mehr.

Quellen: Wikipedia, insel-samos.net.

3 Gedanken zu “Samiotisches Kaffeetagebuch II: die Akropolis des Polykrates

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