Hätten wir nicht gewusst wonach wir suchen, wir währen achtlos daran vorübergefahren. Kein Wunder, liegt dieser Ort doch versteckt in einer Höhle. Um die zu erreichen muss man erst einmal 270 Stufen überwinden, nach oben natürlich. Hier im Fels der Topolia-Schlucht liegt die geheimnisvolle Höhle – und einer der mystischsten Orte Kretas!

Von unten sieht man nur einen schmal wirkenden Spalt. Die wahre Größe erkennt man erst, wenn man die Höhle betritt. Sie erstreckt sich auf einer Breite von etwa 70 Metern und öffnet sich bis auf eine Höhe von 20 Metern. In der Mitte strecken sich Tropfsteine bis zu fünf Meter in die Höhe, manche von ihnen wie Riesen. Sie wurden schon zu Urzeiten als Manifestation der Götter verehrt, Zeus die eine, Eileithyia die andere.

Der Prozessionsweg ging wohl um die Steine herum. Dank Kostas Taschenlampen können wir ihn gehen, wie Priester und Gläubige seit tausenden von Jahren. Doch wir widerstehen der Versuchung auch eine der Abzweigungen zu erkunden: bis heute ist das weit verzweigte Höhlenlabyrinth nicht erforscht. Man hat hier Tonscherben aus neolithischer, frühminoischer, spätminoischer, klassischer, hellenistischer und römischer Zeit entdeckt. Spektakulärster Fund war eine Tonfigur aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert.

Somit ist eine durchgängige religiöse Nutzung der Höhle von der Jungsteinzeit bis heute verbürgt. Bis heute? Ja, an einer Seitenwand der Grotte kauert sich ein kleines orthodoxes Kirchlein an den Felsen, mit dem es eine ganz besondere Bewandtnis hat: bei der Verteidigung Konstantinopels kämpften kretische Elitekämpfer auf Seiten der Byzantiner gegen die Türken. Nach dem Fall der Stadt gewährte ihnen Sultan Mehmet II. freien Abzug, so sie ihre Waffen zurückließen. Dafür dürften sie anderes Hab und Gut mitnehmen.

Ein Kämpfer aus Kissamos entschied sich für eine heilige Ikone, brachte sie nach Kreta und versteckte sie schließlich in dieser Höhle, in der sie verborgen vor den Augen der Welt „verloren“ ging, um später widerentdeckt zu werden. Leider konnte ich keine Geschichte zur Auffindung der Ikone recherchieren. Von der Ikone, die schon Feuer und Meerwasser getrotzt hatte, ist heute eine Replik in der kleinen Kapelle zu bewundert. Zu Weihnachten wird in der Höhle die Geburt Christi gefeiert – bis heute.

Noch weitere Legenden gibt es um diesen Ort. So gibt es einen Abdruck in Form eines Hufeisens im Felsen. Er soll vom Pferd des heiligen Georg stammen. Außerdem wurden zwei Skelette ohne Kopf gefunden. Es wird vermutet, dass dies die Überreste der Brüder Psaromilingos waren, die sich während der venezianischen Besatzung in der Höhle versteckten. Sie sollten in einem Kampf während der Rebellion von Leon Kallergis sterben, der einer freundlichen Politik gegenüber dem Bewohner nicht zustimmte. Die Köpfe der Brüder, die den Venezianern ausgeliefert wurden, sollten das Leben anderer Aufständischer retten.

Wie auch immer, diese Grotte strahlt seine ganz eigene Magie aus, ja, man vermeint spüren zu können, dass dies ein heiliger Ort ist. Ist nicht die Höhle an sich schon eine Allegorie der Weisheit Gottes? Von außen nur ein kleiner, unscheinbarer Spalt, doch die wahre Größe offenbart sich erst, wenn man ihn durchschritten hat? Seit Jahrtausenden können sich die Menschen der Heiligkeit dieses Ortes nicht entziehen.

So lassen auch wir uns ergreifen, berühren. Und umgekehrt: eine der Tropfsteinsäulen wird der Göttin Eileithyia zugeschrieben. Man kann sie berühren. Wann sonst kann man dem Göttlichen so nahe sein?

Höhle der Weisheit Gottes, Minoa Pediada, Kreta, Griechenland; kostenlos zugänglich täglich 08:00 – 20:00 Uhr.

Quellen: Kreta Reiseführer (crete.pl/de), meetcrete.com.
Wonderful place!
Nice day!
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One of the best places at Crete.
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