Kretisches Kaffeetagebuch: Ierapetra – die südlichste Stadt Europas!

Schon nach einer guten halben Stunde kommen wir an unserer Übernachtungsstation an: Ierapetra. In der Antike trug die Stadt den Namen Hierapytna. Von hier aus gab es einen florierenden Handel mit Nordafrika. Die frühsten Reste der Stadt datieren allerdings erst ins fünfte vorchristliche Jahrhundert. Sie erlangte die Vorherrschaft über die südöstliche Region Kretas; diese Blütezeit dauerte bis zur Eroberung 67 v. Chr. durch die Römer. Nach Zerstörung und Wiederaufbau erlebte sie eine neue Blüteperiode in der venezianischen Epoche vom 13. bis zum 17. Jahrhundert – seit dieser Zeit trägt sie den heutigen Namen Ierapetra. 

Von den Venezianern stammt auch die kleine Festung im Hafen, die allerdings gerade mit Mitteln der EU renoviert wird. Also kein Zugang. Die zweite Sehenswürdigkeit ist das Haus in dem Napoleon (vielleicht) übernachtet hat. Im Sommer 1798 führte der französische Kaiser Napoleon Bonaparte seinen Feldzug gegen die Mamelucken in Ägypten durch, um den französischen Handel in der Region zu schützen und den Zugang der Briten in Indien zu verhindern. Während seiner Reise nach Osten sollte er eine Nacht in einem Haus in Ierapetra geblieben sein.

Der Besitzer, ein Händler, soll der einzige in Ierapetra gewesen sein, der Französisch sprechen konnte. Als die französischen Schiffe im Hafen vor Anker lagen, wurde er vorgeschickt um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Dabei habe er den kommandierenden Offizier spontan in sein eigenes, bescheidenes Haus eingeladen. Niemand soll gewusst haben um wen es sich bei diesem Gast handelte. Erst, als er bereits wieder abgereist war, entdeckte sein Gastgeber eine Notiz, die er hinterlassen hatte: „Wenn Sie wissen wollen, wer Ihr Fremder war, dann wissen Sie, dass ich Napoleon Bonaparte bin.“

Damit sind die Sehenswürdigkeiten von Iearapetra geradezu abgehakt. Wer nun allerdings denkt, dass sich ein Besuch nicht lohnt, der irrt. Ierapetra ist die einzige Stadt im Süden Kretas. Sie ist damit die südlichste Stadt Europas, da Zypern geographisch bereits zu Asien gehört. Ierapetra liegt an der schmalsten Stelle Kretas. Die Entfernung von hier bis zur Nordküste beträgt hier nur ca. 18 km. Die Entfernung bis zur Hauptstadt Heraklion an der Nordküste ca. 100 km. Nicht selten sind die Berge um Ierapetra durch den Scirocco, einem heißen Wüstenwind, in einen Grauschleier umhüllt.

Die Stadt Ierapetra mit dem Umland zählt insgesamt ca. 27000 Einwohner, die hauptsächlich von der Landwirtschaft leben. Das war schon immer so. Der Reiseführer von 1962 steht:  „Heute lebt sie vom Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Oliven, Trauben, Tomaten und Südfrüchten und ist besonders wegen ihres roten Weines, der einem moussierenden Burgunder ähnelt, berühmt.“ Die Küstenregion um Ierapetra ist sehr trocken und kahl, doch nur ein paar Kilometer landeinwärts überrascht die Natur mit der üppigen Vegetation des „Males“. Males, das ist ein waldreiches und besonders fruchtbares Gebiet.

Die Region um Ierapetra wird intensiv landwirtschaftlich genutzt, für die dort lebende Bevölkerung sehr wichtig. Das Obst und Gemüse, das in Ierapetra angebaut wird, versorgt nicht nur Kreta, sondern im Winter auch Teile Europas. Hauptsächlich werden Gurken und Tomaten angebaut, die wir auch im Winter in unseren Supermarkt-Regalen finden. Die Schattenseite dieser Erfolgsgeschichte sind die vielen Gewächshäuser in der wärmsten Region Europas. Dafür hat sich der Tourismus hier bisher zurückgehalten.

Während Ratri und Martin sich in unserer Unterkunft einrichten, bilde ich schon einmal die Vorhut. Meine Patruille beende ich mit einem Kaffee am Meer – wie sonst? Ierapetra hat eine für Kreta seltene Uferpromenade mit etwa 800 Metern Länge mit vielen Tavernen und Cafes. Von hier aus fahren Boote zu der vorgelagerten Insel „Chrissi Island“. Ich schlendere die Promenade entlang, die den geschlossenen Charme der Vorsaison versprüht und finde alsbald einen schönen Platz am Strand in der Island Cafe Bar. Was ich nicht finde ist ein willfähriger Kellner.

Erst nach einiger Zeit erkenne ich das Problem: die Strandbar ist noch nicht bewirtschaftet und das eigentliche Café erreicht man, wenn man durch die Bar durchgeht auf der anderen Seite der Straße. Also mache ich mich selbst auf den Weg und bestelle im Café an der Theke. Dann biete ich an zu warten und das fertige Heißgetränk gleich mit zu nehmen. Der Chef allerdings sagt, dass er den Kellner schließlich dafür bezahlt und der soll auch mal was tun. Trotzdem habe ich fast ein schlechtes Gewissen für den weiten Weg des Kellners und gebe ihm deshalb ein extra Trinkgeld dafür. So, nun kann ich in Ruhe meinen Kaffee genießen, während die Wellen leise an den Strand anlanden und mich ein warmer Wind vom Meer streift.

Island Cafe Bar, Str. Samouil 6, Ierapetra 722 00, Griechenland; Öffnungszeiten: täglich von 08:00 – 07:00 Uhr – 23 Stunden geöffnet! Quellen: Globetrottel.net, Wikipedia, cretanbeaches.com, kreta.com, John Bowman, Kreta – Ein Reise- und Kunstführer, 1962.

8 Gedanken zu “Kretisches Kaffeetagebuch: Ierapetra – die südlichste Stadt Europas!

  1. Ierapetra ist wohl politisch die südlichste Stadt Europas, obwohl Zypern geographisch zu Asien gehört, oder?
    Als ich in Tarifa den südlichsten Punkt auf dem europäischen Festland besuchte (durch einen Damm mit dem Festland verbunden, s. Blog), hieß es, der südlichsten europäischen Ort auf einerInsel sei auf Kreta. Jetzt weiß ich, wo das ist

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  2. Ich finde es immer wieder interessant wo im Süden überall Tische stehen, und wo sich dann die dazugehörigen Restaurants / Bars befinden.

    Häufig tatsächlich auf der anderen Seite stark befahrener Straßen. Manchmal aber auch vor kleinen Geschäften oder sogar in Hauseingängen / Gärten der Nachbarschaft. Und manchmal erfolgt sogar Bedienung auf öffentlichen Bänken.

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