Kretisches Kaffeetagebuch: mein aromatischer Kreta-Moment

Wir verlassen Zagros an diesem Sonntagmorgen in Richtung Nordwesten. Wir fahren noch einmal durch Adravasti. Dann schraubt sich die Straße in aberwitzigen Serpentinen nach oben. Ein letzter Blick zurück nach Zagros, dann erreichen wir eine Hochebene im östlichen Lassithi-Gebirge.

Hier sind wir alleine mit den Bergen, den verkarsteten Gipfeln, einigen Ziegen und Phrygana und Macchia, wie man den Bewuchs hier nennt. Phrygana oder Macchia, das ist ein Konglomerat aus stacheligen Büschen und wilden Kräutern, wie etwa Thymian und Oregano. Macchia, das sind Dornginster, Stechwinde, Wacholder, Mastix, Kermes-Eiche, Myrte und Erdbeerbaum. In der Phrygana dominieren dornbewehrte Kugelbuschgewächse, wie zum Beispiel Stechginste, sowie Bibernelle, Strohblumen, Bergminze und Dornbusch-Wolfsmilch, die gut an Wind und Trockenheit angepasst und gegen Fraß durch Ziegen oder Schafe gefeit sind.

Am Horizont hinter den nackten Bergkuppen schimmert wie von Ferne das Meer. Von hier aus sieht es aus wie ein Ozean aus Blei. Es ist still hier. Wir halten an. Hier oben sind nur wir und eine Handvoll Bergziegen. Kein Auto, kein anderer Mensch stört diesen Moment. Ich habe oft von der würzigen Luft Griechenlands erzählt – nie war dieser Geruch intensiver als hier. Der warme Wind vom Meer treibt uns die Aromen von Bergsalbei, Bergminze, Johanniskraut, Oregano und Thymian entgegen und bewegt die Härchen auf meinen nackten Armen – ein zarter Hauch nur von Gerüchen geschwängert.

Blüht der Thymian, dann wird die Hochebene in tiefstes Lila getaucht. Zerschnitten wird diese ursprüngliche Bergwelt nur durch das graue Band der Straße. Wir fangen an Kräuter zu sammeln. Für eine Tasse Salbeitee sollte meine Ausbeute reichen. Mehr zu sammeln wäre zu mühsam. Aber ist das nicht eine wundervolle Idee, dass man Kräuter, Gewürze und Tee hier einfach so pflücken kann?

Davon partizipieren auch die Bienen. Die einzigen Farbtupfer in dieser grau-grünen Landschaft sind die wenigen Blüten hartnäckiger Bergblumen – Zistrosen, Nadelröschen, Brandkräuter und Gamander – und die bunt markierten Bienenstöcke. Von hier muss der Thymianhonig stammen, für den Kreta bekannt ist und der hier überall angeboten wird.

Wir fahren weiter. Hinter jeder Kurve, nach jeder Kuppe, die wir passieren, verwandelt sich die Landschaft ein wenig und bleibt doch gleich. Jede kleine Hochebene hat ihren eigenen Charakter. Kein Wunder, dass die Menschen damals glaubten, dass auf den Gipfeln der höchsten Berge Götter wohnen. Wäre ich ein Gott, meine Wohnstatt wäre hier.

Quelle: globetrottel.net, Wikipedia, Radio Kreta, ADAC Reiseführer Kreta.

6 Gedanken zu “Kretisches Kaffeetagebuch: mein aromatischer Kreta-Moment

  1. Auch das Diktamos-Kraut – auch Diptam Dost genannt – wächst in der kretischen Macchia. Man bereitet seit Urzeiten schon einen Tee daraus, der bei mancherlei Beschwerden wahre Wunder wirken soll:
    https://www.teelexikon.com/diktamos-tee.php
    Und der Geruch der kretischen Macchia ist schier unvergleichlich! Ich bin vor etlichen Jahren mal einen Tag lang durch so eine Landschaft gewandert, am Fuße des Psiloritis, des höchsten Berg Kretas.

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  2. Eine eindrucksvoll beschriebene Landschaft. Danke, dass du uns das miterleben lässt. Diesen intensiven Duft nach Kräutern hatten wir in den Bergen von Sokotra auch oft in der Nase. Hat der Tee geschmeckt? 😉

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