Es war eine samstägliche Taxifahrt, die mir nach Aichach führte. Es war einer der Samstage während der EM, an dem die Temperaturen plötzlich von 15° auf 32° kletterten. Ich hatte meine Fahrgäste angesetzt und war schon auf dem Rückweg nach München, als mir ein Wegweiser nach Schloss Blumenthal auffällt. Eigentlich fuhr ich daran vorbei, besinne mich eines besseren, wende und folge dem Schild.

Nach wenigen Kilometern bin ich dort. Zwar irritiert mich eine Ankündigung eines Elfenfestes ein wenig, ich lasse mich jedoch nicht abhalten und parke nur Augenblicke auf dem dazu bestimmten Platz neben dem Schloss. Über einen Seiteneingang komme ich hinein und betrete so ein kleines Paradies.

Vermutlich um 1254 erwarb der Deutschherrenorden die Hofmark Blumenthal und bewirtschaftete diese durch ein Ordenshaus. Erstmals urkundlich erwähnt wird es im Jahr 1296 unter dem Namen „Blümenthal“. Es diente zuerst als eine Kommende – ein leitendes Ordenshaus – des Ordens in der Deutschordensballei Franken und nach Aufgabe des Deutschordenshauses Aichach ab 1396 wurde es der Hauptsitz der Komture – Leiter der Ordenshäuser. Im Jahr 1405 erhielt das Schloss das Schankrecht durch Herzog Stephan III. von Bayern-Ingolstadt.

Das ursprünglich vierflügelige Wasserschloss im Stil der Renaissance mit seinem vorgelagerten, umfangreichen Wirtschaftshof wurde zwischen 1568 und 1622 erbaut. In dieser Zeit entstand um 1582 die eigene Schlossbrauerei und um 1608 wurde der Georgiturm in der Nähe des Schlosses errichtet. Die beiden Türme des Schlosses selbst wurden um 1650 erbaut.

Zwischen 1719 und 1721 wurde die Schlosskirche durch den Komtur Johann Franz Ernst Freiherr von Weichs erweitert und barockisiert. In denselben Jahren wurden zudem das Verwalterhaus, die Brauerei und die Gastwirtschaft neu gebaut. Zwischen 1822 und 1836 wurde das vierseitige Wasserschloss durch den Grafen Karl Rasso größtenteils abgebrochen und die Wassergräben wurden aufgefüllt. Lediglich der Südtrakt mit der Schlosskirche blieb erhalten.

Ab 1871 wurde das Gut zuerst Landwirtschaftlich genutzt, rund 800 Hektar wurden bewirtschaftet, hauptsächlich von dem auf der Westseite liegenden, Ökonomiegebäude aus geführt, dann richteten Ordensschwestern des Deutschen Ordens hier ein Altersheim für vor allem adelige Bewohner ein. Das Altersheim bestand von 1950 bis 1986. Das Altersheim genügte den modernen Anforderungen nicht mehr und war nur noch mit Verlusten zu betreiben.

So suchte man einen Käufer, den man aber erst zwanzig Jahre später fand. 2006 haben acht Familien gemeinsam das Anwesen Schloss Blumenthal erworben. Sie gründeten die Schloss Blumenthal GmbH & Co. KG und begannen bereits seit 2007 das Gasthaus zu betreiben. Heute ist die Gemeinschaft auf 43 Erwachsene und 18 Kinder angewachsen und führt neben dem Gasthaus einen Seminarbetrieb, ein Hotel und eigene Landwirtschaft mit Hofladen.

Ziel der Blumenthaler Gemeinschaft ist es ein bewusster Zusammenschluss von Menschen zu sein, die das Modell eines alternativen Zusammenlebens in Freiheit und Verantwortung für sich und für einander wagen. Mitglieder der Gemeinschaft Blumenthal leben in privaten Mietwohnungen auf dem Gelände und arbeiten entweder in den eigenen Betrieben, als Selbständige und Freiberufler, genauso wie auch außerhalb des Schlossgeländes in anderen Unternehmen.

Man versteht sich selbst als ein Lebenslernort und Mehrgenerationenprojekt mit starkem Fokus auf die Themen Gemeinschaft & Soziales, (Gemeinwohl-)Ökonomie, Ökologie, Kunst & Kultur, sowie Gesundheit & Bewusstsein. Neben Gasthaus und Hotel gibt es auf Schloss Blumenthal mittlerweile Büro- und Seminarräume, verschiedene Handwerksstätten, eine solidarische (Bio-) Landwirtschaft, einen Kunst und Kultur Verein sowie einen Verein für Nachhaltige Entwicklung.

In der weitläufigen Schlossanlage sind das alte Brauereigebäude, der Biergarten und die barocke Schlosskapelle St. Maria sehenswert. Der Blick hinein blieb mir allerdings verwehrt, da hier gerade eine Hochzeit stattfand. Da wollte ich nicht stören. Also setzte ich meine Runde im Schlosspark, die am Ostturm begann, im Urzeigersinn fort. So kam ich dann auch am Hotel mit 40 Zimmern, das im ehemaligen Altenheim eingerichtet und 2014 eröffnet wurde und einigen Wohnhäusern vorbei.

Nach dem Ostturm kommt dann das Ökonomiegebäude, in dem sich heute auch der Blumenthaler Hofladen und die Käserei befindet. Daran schließen sich zwei Wohnhäuser mit dem Norddurchgang an. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, als das Wasserschloss noch eine vollständige Mauer hatte, ist die heute lockerer und durchlässiger geworden. Trotzdem bleibt der dörfliche Charakter erhalten.

Und schon stehe ich vor dem Gasthaus mit dem einladenden Biergarten. Eigentlich müsste auf dem Bild ein Kaffee zu sehen sein, aber mal ganz ehrlich, es war 32° heiß und ich hatte Durst! Also fiel meine Wahl auf einen Spezi, den ich dann im Schatten der Bäume genießen durfte. Nun ist das ja so, dass man als Besucher plötzlich und unaufgefordert in den Wohn-, Arbeits- und Lebensbereich dieser Gemeinschaft eindringt, womit die Betroffenen aber offensichtlich keine Probleme haben, sind doch die Einnahmen aus den Läden und Galerien, aus dem Hotel und der Gastwirtschaft teil ihres Konzeptes.

Ich beobachte einige Kinder, allesamt im schulpflichtigen Alter, beim Spielen. Sie spielen Fangen. Ich erinnere mich fast wehmütig daran, wie ich im Hof mit Nachbarskindern dieses und ähnliche Spiele gespielt habe. Und das alles ohne Computer oder Smartphone. Ich gewinne den Eindruck einer fröhlichen, weltoffenen und intakten Gemeinschaft – ein kleines Paradies.

Ich muss weiter, leider. Aber wer weiß, vielleicht komme ich ja eines Tages wieder hierher und bleibe dann länger, vielleicht bis zum Abendessen, vielleicht sogar über Nacht. Wer weiß?

Schloss Blumenthal, Blumenthal 1, Aichach-Klingen, Bayern, Deutschland; Öffnungszeiten Gasthaus: Montag – Freitag: 17:00 – 22:00 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag 11:00 – 22:00 Uhr, warme Küche bis 21:00 Uhr. Quellen: Wikipedia, schloss-blumenthal.de. Die Reihenfolge der Bilder folgt der Chronologie der Geschichte: Ostturm, Kirche, Hotel, Westturm, Norddurchgang, Biergarten & Gasthaus, Ostturm.
Das sieht wunderschön aus und das Konzept dort finde ich klasse! Danke für den Tipp.
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Immer wieder gerne. Schon der unverhoffte Besuch dort war mir ein Vergnügen!
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Lovely!
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Thank’s!
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Das liest sich sehr interessant, das werde ich mal auf meine Will-Sehen-Liste setzen.
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Guter Plan!
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Interessant und wohl auch sehenswert.
Aber deine Fahrgäste solltest du nicht ansetzen. Grins…
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Gebe einen leckeren Likör. Danke für den Hinweis 🙂
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😉
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Ein sehr interessanter Bericht. Vielen Dank dafür.
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Wie immer sehr gerne!
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Ich dachte immer nan setzt die ab und nicht an….diese Menschen die Taxis benutzen.😂
Interessant wo es einen hin verschlägt, wenn man irgendwo lang fährt oder lang geht und nur neugierig genug ist.
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Ich glaube es ist die Neugierde.
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Ist dich auch gut so ein bisschen neugierde.🧡
Ich hoffe das mit dem ansetzen fällt da nicht drunter.
😂🤔
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