Für unseren ersten Kaffee mussten wir uns etwas gedulden, denn zuerst ging es ins östliche Diktis-Gebirge, genauer gesagt in die Ruinen der dorischen Stadt Lato. Der Weg führt uns durch eine karge, aber abwechslungsreiche Landschaft. Wilde Kräuter und Blumen wechseln sich ab mit jahrhundertealten Olivenhainen. Über uns die unbewachsenen Berggipfel. Doch was so leblos wirkt, ist der Lebensraum für viele Pflanzen, die gelernt haben den schwierigen Bedingungen zu trotzen.

Zuerst folgen wir der Straße nach Kritsá, Kaum ist der Ortsrand erreicht weist uns ein Schild den Weg zur Ausgrabungsstätte. Hier endet auch die schmale Straße und man bekommt einen ersten Eindruck von der antiken Stadt Lato, auch Lato Eteras. Wie bei den Dorern üblich liegt sie in strategisch günstiger Lage auf einem Bergsattel zwischen zwei Hügeln. Diese Position erlaubt den Blick bis hinunter aufs Meer. So konnte man Feinde schon von weitem nahen sehen, aber auch lohnenswerte Beute erspähen. Hafen der Stadt war Lato pros Kamara, das heutige Agios Nikolaos.

Besiedelt wurde dieser Ort wohl schon in spätminoischer Zeit, also vor etwa 3.500 Jahren. Die später eingewanderten Dorer übernahmen den Ort und bauten ihn zur Stadt aus. Die heute sichtbaren Ruinen stammen aus der archaischen und klassischen Periode, also etwa aus der Zeit um das Jahr 500 v. Chr. Lato entwickelte sich zu einem der bedeutendsten dorischen Stadtstaaten auf Kreta. Lato hatte ein Bündnis mit Rhodos und Pergamon und stand immer in Konflikt mit seinen Nachbarstädten. Die Siedlung war nicht von einer kompletten Mauer umzogen, sondern wurde von einzelnen Türmen und Bollwerken, die auf der Fläche verteilt waren, verteidigt.

Trotz des natürlich verfallenen Zustands vermittelt Lato auch heute noch einen guten Eindruck vom Aussehen und der Atmosphäre einer wohlhabenden griechischen Stadt. Benannt ist die Stadt zwar nach der griechischen Göttin Leto, Tochter der Titanen Koios und Phoibe, Geliebte des Zeus und Mutter der Zwillinge Artemis und Apollon, Hauptgöttin aber war wohl Eileithyia, die auch auf Münzen dargestellt wurde. Lato ist ein typisches Beispiel für frühe griechische Stadtplanung, bei der die einzelnen die Viertel terrassenförmig um einen zentralen Markt- und Versammlungsplatz angelegt wurden.

Wir betreten die ehemalige Stadtanlage durch einen Torbau, der einst von einem mächtigen Turm gesichert war. Eine schmale Gasse, gesäumt von den Läden der Händler und den Werkstätten der Handwerker, führt hinauf zur Agora. Es lässt sich mancherorts nachvollziehen, welche Gewerbe hier ausgeübt wurden. So gibt es Hinweise auf Schmiede und andere Betriebe, sowie eine Färberei.

Die Agora ist der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens. Hier stehen noch die Grundmauern eines kleinen Tempels und eines Zisterne. Besser erhalten ist die Stoa, eine beeindruckende Treppenanlage, die hinaufführt zum Prytaneion, dem Sitz des Rates der Stadt. Im Süden hingegen lag der größte Tempel der Anlage, der Haupttempel, vermutlich Eileithyia geweiht. Daran anschließend ein antikes Theater.

Die restlichen Bauten waren private Häuser, Unterkünfte von Bauern, Lagerstätten, sowie Wehr- und Verteidigungstürme. Der gute Erhaltungszustand erlaubt einem eine gute Vorstellung davon, wie hier das Leben in grauer Vorzeit abgelaufen ist. Die Bewohner Latos waren wohlhabende und stolze Bürger, die an einem intensiven öffentlichen Leben teilnahmen, dass sich auf den Treppen, auf der Agora, Im Tempel und im Theater abspielte. Recht gesprochen wurde auf der Stoa, mit Sicherheit ein besonderes Ereignis.

Der Blick von der leichten Anhöhe über den eigentlichen Ruinen ist unbezahlbar. Man sollte sich der kleinen Mühe unterziehen und bis zur obersten Absperrung klettern, um diese grandiose Sicht auf Lato und die Bergwelt zu genießen, den Glocken der weidenden Schafe und Ziegen zu lauschen und den Duft von Bergkräutern zu atmen.

Aus Lato und Lato pros Kamara stammen zahlreiche Inschriften, vor allem aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr., die es erlauben sich eine Vorstellung von der Organisation dieser Orte zu machen. Es ist das Amt der Kosmoi bezeugt, die normalerweise für ein Jahr gewählt wurden und die Stadt regierten. In Lato sind mehrere gleichzeitig belegt, die also zusammen die Geschicke der Stadt lenkten. Aus den Inschriften geht klar hervor, dass diese gewählten Männer nur aus einer Handvoll von Familien stammten, die demzufolge die Stadt beherrschten. Vor dem Ende des 3. Jahrhunderts wurde Lato Teil Kretas und hatte die gleichen Gesetze wie die anderen Städte.

Bekanntester Sohn der Stadt war Nearchos, Admiral unter Alexander dem Großen. Der Sohn des Androtimos, war ein Begleiter Alexanders auf dessen Asienfeldzug, auf dem er vor allem durch seine Seeexpedition vom Indus zum Persischen Golf und seinen Bericht darüber bekannt wurde.

Nach etwa dreihundert Jahren begann der Niedergang der einst so stolzen Stadt. Man vermutet, dass mit der immer dominanter werdenden Bedeutung der Seefahrt die Menschen lieber in Küstennähe leben wollten und deshalb die Stadt in den Bergen verließen. Belege für eine gewaltsame Eroberung oder Zerstörung gibt es nicht. Arthur Evans, der Entdecker von Knossos, hat hier übrigens auch einmal gegraben. Offenbar fand er das Gefundene nicht spektakulär genug, weshalb er die Freilegung der Stadt den Franzosen überlassen. Ein Glück für Lato, konnte die Stadt so ihren ursprünglichen Zauber bewahren.

Wir hatten dank der frühen Stunde die ganze Stadt (fast) für uns alleine. So konnten wir, mal jeder für sich, mal gemeinsam, viele besondere Eindrücke sammeln. Doch eines gab es in Lato leider nicht: Kaffee. Deshalb ist es jetzt höchste Zeit sich genau darum zu kümmern. Doch davon morgen mehr.

Quellen: Wikipedia, ADAC Reiseführer Kreta, kreta-reiseimpressionen.de, kreta.com, boarding-time.de, meetcrete.com.
Dass man mit dermassen grossen Steinblöcken gebaut hat, ist ganz erstaunlich. Alles nur mit Menschenkraft.
A propos schwer / nicht schwer: Weisst du eigentlich, dass es auf meinem 2. Blog jeden Freitag eine Einladung zum Drabbeln gibt, d.h. zum Schreiben eines Textes mit exakt 100 Wörtern? jeden Dienstag veröffentlicht jeder, der Lust hat, seinen Text und verlinkt ihn bei mir unter der Einladung. Heute könntest du testlesen und, wenn dir noch etwas einfällt, auch noch heute mitmachen. Schau mal:
Ansonsten freitags wieder gucken. 🙂
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Danke für die Einladung. Ich habe da auch schon mal mitgemacht…
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😳 Das ist viel zu lange her. 🙂
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