Kaffeereise: Wien

Hört man Kaffeehaus, denkt man fast automatisch an Wien oder Österreich. Zu recht, ist das Nachbarland doch ganz vorne dabei, wenn es um Kaffeekultur geht. Die Wiener Kaffeehauskultur gehört seit 2011 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Im „Nationalen Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich“ steht: „Die Tradition der Wiener Kaffeehauskultur reicht bis an das Ende des 17. Jahrhunderts zurück und ist durch eine ganz spezielle Atmosphäre geprägt. Typisch für ein Wiener Kaffeehaus sind Marmortischchen, auf denen der Kaffee serviert wird, Thonetstühle, Logen, Zeitungstischchen und Details der Innenausstattung im Stil des Historismus. Die Kaffeehäuser sind ein Ort, ‚in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht'“.

DSC_0211

Kaum ein Land hat eine solche Kaffeetradition und eine solche Auswahl an Kaffeespezialitäten wie Österreich. Ja, man sagt sogar, dass der heute weit verbreitete Cappuccino ursprünglich eine Erfindung der k.u.k. Kaffeesieder sei. Inbegriff der Kaffeehaustradition der österreichischen Hauptstadt ist die nach ihr benannte Wiener Melange. Allen Missverständnissen zum Trotz: die Melange ist eben kein Cappuccino, auch wenn neuerdings eine gewisse Unschärfe einsetzt. Denn während ein Cappuccino lediglich ein Espresso mit aufgeschäumter Milch ist, definiert sich eine Melange mit einer Hälfte starken Kaffees – im Original zumeist ein Mokka – einer Hälfte heißer Milch, gekrönt von reichlich Milchschaum. Man könnte es auch so definieren, dass die Wiener Melange typischerweise mit milderem Kaffee gemacht wird als Cappuccino, der in der Regel mit starkem Espresso zubereitet wird. Ein kleiner, aber entscheidender Unterschied.

20171027_123442

Ist man zu Gast in Wien, dann ist das Angebot an Kaffeehäusern so groß, dass einem die Wahl schwer fällt. Wir greifen aus der Vielzahl der besuchenswerten Kaffeehäuser willkürlich zwei heraus, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Prunkvoll und kaiserlich das eine, schlicht und bürgerlich das andere. Es war die österreichische Herrscherin Maria Theresia, die auf der Anhöhe vor Schloss Schönbrunn 1775 die Gloriette erbauen ließ, als „Denkmal für den gerechten Krieg“. Als gerechten Krieg empfand man nach damaliger Lesart Kampfhandlungen, die zur Durchsetzung des eigenen Rechts notwendig waren und die schließlich zum Frieden führten, Bedingungen, die die Habsburger Erzherzogin sowohl für den Österreichischen Erbfolgekrieg als auch für den Siebenjährigen Krieg für erfüllt befand.

DSC_0314

Doch es war Kaiser Franz Joseph I., der den Blickfang zum Speisesaal ausbauen ließ und es ist überliefert, dass er und vor allem seine Frau Sisi beliebten dort oben und mit bestem Blick auf ihre Untertanen, ihr Frühstück einzunehmen. Während man früher standesgemäß mit der Kutsche oder zu Pferde zur Gloriette anreiste, kann man das heute gutbürgerlich zu Fuß machen oder mittels einer kleinen Touristen-Bahn – ein Verkehrsmittel, welches ich bei den Entfernungen im Schlosspark empfehlen würde.

DSC_0312

Heute ist Kaisers Speisesaal ein Café, von dessen Dach man eine phantastische Aussicht über Wien genießen kann. Im Inneren mischt sich Historie mit Moderne. Üppig stuckatierte Wände, große Sitznischen und Podeste entlang der Außenwände sind wie flache Inseln gefasst, die geflochtenen Loom Chairs lassen den Raum im Inneren frei fließen. Bei schönem Wetter kann man auch draußen sitzen, doch die meisten Gäste treibt es in den geschichtsträchtigen Saal.

DSCI0400

Legendär übrigens ist das Frühstückbuffet: das sogenannte Sisi-Buffet gibt es jeden Samstag, Sonn- und Feiertag im Gloriette. Dezente musikalische Begleitung, etwa mit Klavier oder klassischer Violine, macht das k.u.k. Frühstückserlebnis komplett. Es empfiehlt sich zu reservieren, unbedingt und lange vorher, denn oft ist das kaiserliche Frühstücksmahl auf Wochen hinaus ausgebucht. Und es gibt keine Ausnahmen – auch nicht für kaiserliche Hoheiten. Dafür bekommt jeder, der es geschafft hat, auch eine ganz besondere Spezialität: ein Stück Guglhupf mit kandierten Veilchen.

DSCI0401

Neben den Klassikern jedes Wiener Frühstücks wie den obligatorischen reschen Kaisersemmeln, feiner Marmelade und einer großen Auswahl an Wurstspezialitäten, finden sich auch herzhafte Schmankerln wie Eier mit gebratenem Speck und Grillwürstel. Dazu ein Gläschen Prosecco, Räucherlachs mit Oberskren und als Abschluss den bereits erwähnten und exklusiven Sisi-Gugelhupf mit kandierten Veilchen. Doch das kaiserliche Erlebnis hat auch seinen Preis und der liegt bei Erwachsenen bei 32,00 Euro – nicht Schilling!

DSC_0311

Weit bürgerlicher geht es da im Café Goldegg zu, ein klassisches Kaffeehaus ab vom Trubel der Touristenströme. Trotzdem steht bei mir gerade dieses Lokal ganz oben auf der Liste. Die Gründe: es ist fußläufig vom Hauptbahnhof erreichbar. Und am Hauptbahnhof Wien ist das Hotel meiner Wahl, das Motel one mit einem fantastischen Blick über die Stadt. Außerdem gibt es im Goldegg den ganzen Tag über Frühstück. Und das Kaffeehaus ist so original Jugendstil, dass es schon oft als Kulisse für Filmaufnahmen herhalten durfte.

DSC_0748 (2)

Gegründet wurde das Café Goldegg 1910.  Das damalige Café Dobner war ein Stammlokal von Eisenbahnern. Während der NS-Zeit diente es bis Mai 1941 als Treffpunkt von verfolgten Gewerkschaftern und Revolutionären Sozialisten, vor allem von Eisenbahnern. Ende der 80er Jahre wurde das Café originalgetreu restauriert. Seitdem steht es unter Denkmalschutz.

DSC_0750

Auffallend sind die fein ausgearbeiteten Wandtäfelungen, die im Lauf der Zeit nachdunkeln durften. Ansonsten sind die Räume mit hellem Parkettboden, schwarzen Marmortischen mit weißer Äderung, dunkelgrünen Plüschbezügen in den Sitznischen und Messing-Lustern ausgestattet. Zur Verfügung stehen Billardtische und ein Raucherraum. Wie es sich für ein Kaffeehaus gehört gibt es auch eine Auswahl aktueller Tageszeitungen und einen Hungerturm, mit allerlei Torten.

DSC_0752

Die Frühstücksmöglichkeiten hier aufzuzählen wäre zu umfangreich. Uns reichen bestimmt zwei Eier im Glas, ein Hörnchen, ein Paar Sacher Würschtl mit frisch geriebenem Meerrettich und Estragon-Senf, dazu eine Wiener Melange mit Schlagobers. Bei schönem Wetter kann man draußen sitzen und zum Schloss Belvedere ist es nur ein kurzer Gang und zum Stephansdom nur drei U-Bahn-Stationen. Ideal also als Ausgangspunkt für eine Stadterkundung. Oder wir bleiben einfach hier…

Lust auf einen Café con leche und ein Ensaimada unter Palmen? Morgen frühstücken Sie mit mir auf Mallorca!

2 Gedanken zu “Kaffeereise: Wien

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..