Besitzerwechsel im Schelling-Salon

Er gehört zur Maxvorstadt wie der Königsplatz oder die Universität: der Schelling Salon. Wie sonst nur in den Kaffeehäusern Wiens oder Salzburgs kann das Billard-Café in der Schellingstr. 54, Ecke Barer Straße, auf eine beeindruckende Gästeliste verweisen, darunter Bertolt Brecht, Wassili Kandinsky, Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, Werner Heisenberg, Wassily Kandinsky, Henrik Ibsen, Joachim Ringelnatz, Wladimir Iljitsch Lenin, Theodor Heuss und Ödön von Horváth. Auch der Komponist und Musiklehrer meiner Mutter Fritz Büchtger verkehrte hier. Franz Josef Strauß, der spätere bayerische Ministerpräsident, der in der Schellingstraße aufwuchs, holte in seiner Jugend Bier für seinen Vater aus dem Schelling-Salon.

In den 1960er Jahren lernten sich der spätere RAF-Terrorist Andreas Baader und der spätere Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner im Schelling-Salon kennen. Doch der kurioseste Stammgast dürfte ein mittelloser Postkartenmaler namens Hitler gewesen sein. Der lies regelmäßig im Schelling-Salon anschreiben und bekam wohl auch einmal die eine oder andere Tasse Suppe oder Kaffee ausgegeben. Bis es dem Wirt Engelbert Mehr zu viel wurde. Der spätere Führer des Deutschen Reiches wechselte daraufhin kurzerhand zum späteren Brudervolk in die Osteria Italiana ein paar Schritte weiter und ließ dort weiter anschreiben.

Seit 1872 bewirtschaftet die Familie Mehr den Schelling-Salon. Erster Wirt war Sylvester Mehr, der von 1904 bis 1911 auch Präsident der Gastwirte-Innung in Bayern war. Unter ihm war der Salon zunächst eine Gartenwirtschaft. 1911 wurde er von dem Sohn Engelbert Mehr übernommen und im Stile eines „Wiener Café-Restaurants“ eingerichtet. Diese Einrichtung ist bis heute weitgehend erhalten geblieben. Engelbert Mehr bewirtschaftete den Salon bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Sohn von Engelbert, wiederum mit Namen Sylvester Mehr, führte die Gaststätte bis zu seinem Tod im Jahr 2002. Seine Tochter Evelin Mehr führt den Salon heute in der vierten Generation.

Man kann kaum in München aufgewachsen sein, ohne einige Zeit im Schelling-Salon verbracht zu haben, zum Beispiel an einem seiner Billardtische. Oder man beobachtete Sylvester Mehr, wie er zu den Automaten schlurfte um sie aufzufüllen und das Geld zu leeren. Das ließ er sich bis ins hohe Alter nicht nehmen. Bis heute ist der Salon bei den Studenten sehr beliebt. Kein Wunder, kostet der Schweinebraten heute gerade einmal 13 Euro. Für den kleineren Hunger oder Geldbeutel gibt es geröstete Knödel mit Ei und Salat für 10,30 Euro oder ein Wurst- oder Emmentalerbrot für 5,90 Euro. Auch die Weißwürscht – zwei Stück mit Senf – sind mit 6 Euro einmalig günstig.

Doch zum Jahresende wird diese Tradition Geschichte: Evelin Mehr, Wirtin des Schelling-Salons in vierter Generation, hört auf. „Lieber den Salon retten, als dass es mich irgendwann derbröselt – und keiner macht weiter“, erklärte sie gegenüber der tz. Ein Nachfolger ist auch gefunden. Christoph Klingele, unter Anderem Betreiber des Café Puck in der Türkenstraße, möchte so viel vom originalen Schelling-Salon erhalten wie möglich. Aber es soll auch Neues eingeführt werden, wie zum Beispiel Kartenzahlung. Ob es den Salon in dieser Form nach lange geben wird, muss man sehen.

Quellen: Wikipedia, Unternehmensseiten, tz; Bildrechte: Cholo Aleman/Wikipedia.

3 Gedanken zu “Besitzerwechsel im Schelling-Salon

  1. Da bin ich auch sehr gespannt, wie das ab dem Jahreswechsel mit dem Schellingsalon weitergehen wird.
    Preislich hat man allerdings schon auch zugelegt, meist jedoch mittels indirekter Verteuerung, indem man die Portionen verkleinert hat. Am Besten lässt sich das beim Schnitzel Wiener Art sehen, das in früheren Zeiten so groß war, dass es fast über den Tellerrand hing, und mittlerweile doch ziemlich an Volumen verloren hat. 😉 Die Blut- und Leberwürst mit Sauerkraut und Kartoffeln, die stets im Herbst und Winter am Donnerstag kredenzt werden, haben sich binnen weniger Jahre von 6,80 Euro auf 10,80 verteuert.
    Aber das Ambiente ist schon einzigartig. Ich gehe gelegentlich in den Schellingsalon, um den überwiegend jungen Billiardspieler:innen zuzusehen. Karten spielen darf man allerdings dort nicht mehr, weil die Schafkopfer:innen und Watter:innen angeblich zu wenig verzehren.

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