Samiotisches Kaffeetagebuch II: Paleo Karlovasi

Paleo Karlovasi – das alte Karlovasi – könnte man glatt übersehen. Früher war das einmal der Plan, denn man konnte den Ort, der sich weit oben auf einem Berggrat festkrallt, vom Hafen unten gar nicht sehen. Plündernde Piraten verheerten deshalb nur die wenigen Gebäude im Hafen, den Ort ließen sie in Ruhe, weil sie ihn nicht sahen. So zumindest die Geschichte um Paleo Karlovasi.

Heute ist das allerdings anders. Oben auf der Höhe ragt eine Kirche – Agia Triada, Kirche der heiligen Dreifaltigkeit – über den Gipfel. Sie stammt allerdings aus neuerer Zeit und bekam ihre heutige Gestalt erst vor kurzem. Doch bis dahin ist ein weiter Weg. Wer den fahren oder gehen will, der darf diesen unscheinbaren Wegweiser nicht übersehen. Ein bisschen versteckt ist Paleo Karlovasi also doch noch.

Zuerst schlängelt sich die Straße steil den Berg hoch, macht dann eine Spitzkehre und verläuft weiter auf dem Sattel dieses Berges. Riesige Bäume stehen hier am Rand der Straße, darunter Platanen, Maulbeerbäume und Lorbeerbäume. Dazwischen tummeln sich bunte Oleanderbüsche und Feigenbäume. Der Name der Straße – Agiou Ioannou Prodromou Straße – erinnert an ein Kloster, dass hier früher existiert haben muss.

In einer Kehre kurz vor dem eigentlichen Ortseingang ist für Autos Schluss. Wir stellen unser Auto neben einer Taverne ab, übrigens die vorletzte im Ort. Ich komme darauf zurück. Die Straße wird schmaler. Furchen in den Hauswänden künden davon, dass hier schon einige Besucher Fahrversuche unternommen haben. Auf der kleinen Plateia – Akamátra genannt – ist dann für alles mit Rädern dran endgültig Schluss.

Hier gibt es noch ein Kafenio und eine weitere Taverne – beide haben heute leider geschlossen – und glaubt man den Berichten anderer Reisender, dann trifft sich hier abends das halbe Dorf und es werden rauschende Feste gefeiert. Im Namen Akamátra schwingt ein griechisches Lebensgefühl von einer weinseligen Freundesrunde, in der nicht nur gegessen und getrunken, sondern vor allem auch gesungen wird. Der kleine Platz mit den übrigens jahrhundertealten Platanen hat einen Spitznamen. Er wird inoffiziell mikro Parisi, klein Paris genannt.

Von hier aus zweigen die beiden Treppenwege zum Hafen und zu Meseo Karlovasi hinunter. Bevor die Autostraße nach Paleo gebaut wurde, war diese kleine Platia die zentrale Verbindung zum urbanen Leben von Karlovasi. Von hier aus geht es auch Stufe um Stufe aufwärts bis zum höchsten Punkt des Dorfes, an dem, wie könnte es anders sein, die Kirche steht.

Die Kirche an der Spitze ist wie bereits erwähnt neueren Datums und wurde erst vor wenigen Jahren erbaut. Sie ist als einzige von weithin sichtbar. Natürlich geht das auch in Gegenrichtung: von der Kirche hat man den wohl besten Blick auf den Hafen und die Stadt. Und man hat einen Blick zurück auf die rund 500 Häuser und drei weiteren Kirchen des kleinen Ortes.

Aus heutiger Sicht mag der Weg vom Dorf in der Höhe in die Niederungen des Hafens mühsam erscheinen (und tatsächlich wandern immer mehr Familien aus den Höhendörfern in die Ebenen ab!), es ist trotzdem auch im 21. Jahrhundert noch etwas Besonderes über den Köpfen der anderen zu leben. Wir jedenfalls haben unseren Besuch hier sehr genossen. Und der ist noch nicht zu ende.

Wir kehren zu unserem Auto zurück. Schwaden von Grillduft umwehen uns. Es kommt, wie es kommen musste: wir kehren in der Taverne ein, die heißt, wie der Ort: Paleo Karlovasi. Direkt hinter der Taverne geht ein Weg zur Höhle des heiligen Antonius, ein Sakraler Ort mit einem Altar in einer frei zugänglichen Tropfsteinhöhle. Obgleich der Heilige wohl nie hier gewesen ist. Wahrscheinlicher ist, dass Dorfbewohner hier vor Angriffen Zuflucht gefunden haben.

Wir werden diese Attraktion allerdings auslassen. Unser Begehr ist nun erstmal kulinarischer Natur. Neben einem griechischen Bauernsalat teilen wir uns heute eine ganz besondere und lokale Spezialität, nämlich Karloretzi, Innereien mit Speck ummantelt und gegrillt, eine hiesige Sonderform des bekannteren Kokoretzi, gegrillte Lamminnereien am Spieß. Ein Gericht, dass ich nicht unbedingt jeden Tag bräuchte, aber ich würde mich ärgern hätte ich diese Spezialität ausgelassen. So gestärkt nehmen wir das nächste Ziel in Angriff: die Burg, an der ich vor zwei Jahren scheiterte.

Quellen: Wikipedia, insel-samos.net, samos.de,

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..