Ostermontag und das Leben geht wieder seinen halbwegs gewohnten Gang. Das erkennt man unter anderem daran, dass es wieder unser gewohntes Frühstück gibt. Gestern gehörten wir noch zur Familie, heute sind wir schon wieder Gäste, zumindest fast. Aber man darf die griechische Gastfreundschaft auch nicht überstrapazieren.

Danach geht es nach Vathi, der offiziellen Hauptstadt von Samos. Beziehungsweise umgekehrt: die Stadt heißt heute offiziell Samos, wird von die Griechen aber weiterhin Vathi genannt. Da wir die Strecke über Pythagorion schon zur Genüge kennen, wähle ich die etwas längere Route über Chora, Mytilinii und Zervou. So nähert man sich der Bucht von Vathi von Westen und hat einen wundervollen Blick über Hafen und Stadt, die sich wie ein Sichelmond an das Meer schmiegt. Dann geht es in engen Serpentinen hinunter bis zur Uferpromenade.

Wo Pythagorion bunt, laut und lebendig ist, bemüht sich Vathi gleichzeitig mondän und gediegen zu sein – und vor allem bedeutend! Was ihr nur so halb gelingt. So hat Samos Stadt zwei Gesichter: ganz dem Meer zugewandt die Neustadt mit der kilometerlangen Uferpromenade, der Paralía – der Flaniermeile der Samioten – und der Altstadt Vathi, die sich wie ein Adler in einer Anhöhe über der Neustadt festkrallt. Samos Stadt, das bedeutet ein wichtiger Fähranleger und der größte Busbahnhof der Insel, dazwischen Läden, Reisebüros, Banken und Geldautomaten, Souvenirshops, Tavernen, Autovermietungen, Bars und Straßencafés. Bei aller städtischen Anmutung soll hier eines nicht verschwiegen werden: an mehreren Tagen der Woche ist Samos vor allem eines, nämlich geschlossen.

Im alten Vathi siedelten Menschen vermutlich schon lange. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gründeten Flüchtlinge vom Peloponnes auf den Ruinen einer antiken Siedlung im Bereich des heutigen Ortsteils Moraitochori den Ort. Aufgrund der Lage auf einem Sattel versteckt zwischen den Bergen Koutsomylos und Varela etwa 80 m über dem größten natürlichen Hafen der Insel war man vor Piratenüberfällen sicher.

Die Geschichte der neuen Stadt Vathi hängt eng mit der alten Stadt zusammen. Ursprünglich lag hier nur der Hafen des Dorfes in der Höhe. Erst als die Piratenüberfälle nachließen siedelten sich immer mehr Menschen an der Küste an. Darunter auch Händler von den Ionischen Inseln. Große Lagerhäuser wurden errichtet und langsam entwickelte sich die Siedlung. Zur Unterscheidung wurde der alte Ort Pano Vathy oder Chorio, der neu am Meer entstandene Kato Vathy oder Limin Vatheos genannt.

In der wechselvollen Geschichte der Insel gewann und verlor Vathi an Bedeutung, war mal Inselhauptstadt, dann wurde der Siedlung der Titel wieder entzogen. Erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs der Einfluss des Hafens stetig und die Stadt wurde als Verwaltungszentrum ausgebaut. Deshalb wurde kurze Zeit später mit den Planungen für den Ausbau des Hafens, der Uferstraße und eines zentralen Platzes, der Platia Pythagoras, begonnen. Nach 1870 bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche öffentliche Gebäude im Neoklassizistischen Stil errichtet, die der Stadt ein einheitlich geschlossenes Bild verliehen.

Während der italienischen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt Sitz der italienischen Streitkräfte. Eine deutsche Fliegerstaffel bombardierte am 17. November 1943 die Stadt, dabei wurden an der Uferpromenade viele der das Stadtbild prägenden Gebäude zerstört. Nach dem Krieg begann der Wiederaufbau der zerstörten Gebäude. Die Lösungen orientierten sich an einer einheitlichen Modernisierung im Stil der großen urbanen Zentren der 1950er und 1960er Jahre. Das Ergebnis veränderte das charakteristische Stadtbild. Den Status als Verwaltungssitz ließ sich Samos nun nicht mehr nehmen.

Flanieren wir doch ein wenig an der Uferpromenade entlang. An dem 150 Meter langen Pier im Norden des Hafens können gleichzeitig fünf Schiffe anlegen. Zusätzlich gibt es einen Bereich für Fischer- und Segelboote. Die Uferpromenade ist die Lebensader der Stadt. Hier findet allabendlich die Vólta statt, der fast rituelle Abendspaziergang, nachdem die Bewohner der Stadt dann mit Einbruch der Dämmerung in die zahlreichen Terrassencafés strömen – verliebte Pärchen, Familien, Teeagergruppen und Touristen, die sich dem Brauch anschließen. Ist die Uferpromenade die Lebensader, dann ist die Platia Pythágoras das Herz! Hier wacht von Hotels und neoklassizistischen Gebäuden umrahmt seit 1930 der marmorne Löwe der Freiheit, der an den griechischen Freiheitskampf erinnert.

Zu Füßen des Löwen lassen wir uns auf einen Kaffee nieder. Hier erfreuen sich die Samioten ihres Feiertages, Kinder tollen umher, üben Kunststücke mit dem Fahrrad oder spielen Fußball, während die Erwachsenen im Schatten der Palmen und Sonnenschirme sitzen und Kaffee oder alkoholische Getränke konsumieren. Hier – am Pythagoras Vathy Central Square – ist die Stadt so, wie sie gerne überall sein würde, lebendig und Hauptstädtisch. Doch schon wenige Schritte abseits steht man vor geschlossenen Geschäften. In Pythagorion hingegen haben alle Läden und Tavernen geöffnet. So bleibt der Hauptstadtflair für Vathi ein lang gehegter Traum.
Quellen: Wikipedia, Samos, Dumont direkt, Thomas Schröter, Samos, Michael Müller Verlag.
Warum und an welchen Tagen ist Samos geschlossen?
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Das wenn man wüsste. Einheitlich geregelt ist das nicht. Viele Geschäfte haben am Sonntag zu, andere am Mittwoch und wieder andere gerne einmal nachmittags. Ganz anders als zum Beispiel in Pythagorion.
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Zumindest würde man nicht verhungern, da nicht alle gleichzeitig für mehrere Tage in der Woche geschlossen haben. 😉
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Das sicher nicht.
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