Ruhig liegt der Hafen in der frühen, goldenen Morgensonne. Selbst die kleinste Erhebung wirft lange, schwarze Schatten. Die Sonne steht tief, ist sie sich doch gerade erst über den Horizont geschoben. Erst die Hälfte der weißen und bunten Häuser wird angestrahlt, der Rest duckt sich noch in den letzten Spuren der letzten Nacht. Noch fehlen die Menschen. Sie schlafen noch oder bereiten sich gerade auf den neuen Tag vor. Selbst die Katzen haben ihre Schicht noch nicht angetreten und dösen in der Sonne. Die Fischerboote dümpeln fast lautlos in der Hafenbucht. Heute werden sie kaum auslaufen, denn heute ist Feiertag.

Es ist Karfreitag in Pythagorion, dem wichtigsten Hafen der Insel Samos. Für die orthodoxen Christen ist dieser Tag ein Moment der Besinnung, des Gebets und der spirituellen Vertiefung für die Gläubigen. Später werden sie sich in den Kirchen versammeln um an speziellen Gottesdiensten teilzunehmen, die oft als „Epitaphios“ oder „Klageprozession“ bekannt sind. Gefolgt von der Prozession mit dem Epitaphios, einem kunstvoll verzierten Grabtuch, das Christus symbolisiert, an der sich die ganze Gemeinde beteiligt. Ein Ereignis von besonderer Andacht und Feierlichkeit.

Noch wirft der hohe Feiertag seine Schatten voraus. Ein wenig Leben kehrt nun doch in den Ort ein mit einer Prozession ganz anderer Art. Mit dem Wagen, dem Taxi oder zu Fuß strömen die Menschen zur Dodekanisos Pride, dem Stolz der Dodekanisos Seaways, als wäre sie eine Arche. Menschen mit Koffern, Taschen, Einkaufstüten, mit Geschenken für die Verwandten auf den anderen Inseln. Ostern ist ein Fest der Familie und Grund genug für eine für manche beschwerliche Reise.

Noch liegt das Fährschiff ruhig am Ende des Auslegers und schaukelt sanft vor sich hin. Auf dem Pier bewegt sich ein stiller Strom auf die große geöffnete Ladeluke zu. Über eine Rampe scheint alles im Bauch der Fähre zu verschwinden. Entladene Taxis und andere Fahrzeuge wenden sich gegen den Strom und fahren zurück zur immer noch verschlafenen Promenade. Alles geht ruhig und diszipliniert. Schon vor 2.500 Jahren gingen Reisende über den selben Pier zu einem der über einhundert Samaina, die Fünfzigruderer und damals modernsten Schiffe der hellenistischen Welt, die die Insel damals berühmt, reich und mächtig machten. Von den Hafenanlagen gibt es noch zahlreiche Reste aus verschiedenen Epochen, die Fundamente jedoch sind in jedem Fall antik.

Die Galeeren sind modernen Schiffen gewichen. Die Dodekanis Pride ist ein moderner Auto- und Passagierkatamaran, ein Hochgeschwindigkeitsboot mit Platz knapp 300 Passagiere und maximal neun Fahrzeuge. Mit seinen 40 Metern länge und 11,5 Metern Breite schafft die Fähre maximal 30 Knoten, das entspricht über 55 km/h. Hinter der Ladefläche für sperriges Gepäck, Roller, Fahrräder und Autos wartet schon der Zahlmeister auf uns. Das Ticket wird kurz gescannt, ein Piep bestätigt die Gültigkeit und wir betreten eines der beiden Passagierdecks. Auf bequemen Sitzen kann man windgeschützt reisen. Über den Bildschirm läuft ein Werbefilm über die verschiedenen Stationen des Schiffes in Dauerschleife.

Die Dodekanisos Pride legt ab und es scheint als würde alles, was die morgendliche Ruhe in Pythagorion gestört hat, mit ihr die Insel verlässt. Im weiten Bogen geht es aus dem Hafen, an der Festung des Lykourgos Logothetis und an den römischen Bädern, in denen schon Cleopatra und Antonius saunierten, vorbei und entlang der Küste Richtung Westen. Weiß erhebt sich die Kolona, die einzig verbliebene Säule des einst größten Tempels Griechenlands, über die Ruinen. Die Marmorräuber aus Genua und Venedig, die in dem Heiligtum einen Steinbruch sahen, ließen sie stehen um den Ort leicht wieder finden zu können. Bis heute trotzt die Kolona Erdbeben und türkischem Beschuss. Dass sie einst mehr als doppelt so hoch war, lässt die Größe des einstigen Heiligtums erahnen.

Langsam verschwindet die Insel im Morgendunst. Zeit für ein Frühstück, dass ob der frühen Stunde ausfallen musste. Früh legt die Fähre in Pythagorion ab und macht sich auf ihre Reise durch die Dodekanes. Patmos, Lipsi, Leros, Kalymnos, Kos und Rhodos liegen auf ihrem Weg. Vom „Smutje“ bekomme ich eine griechischen Kaffee, einen Panini-Toast und eine griechische Schokolade, Zartbitter und im blauen Papier. Über die ruhige See kommt das Schiff schnell voran. Das Meer zieht an unserm Fenster vorbei. In kaum zwei Stunden werden wir Patmos, die heilige Insel erreicht haben. Schon taucht sie am Horizont auf und es zeichnet sich die Silhouette des Johannes-Klosters zeichnet sich ab. Doch davon morgen mehr.
Samos, berühmte Insel weichen und süßen Weines…
Einst in längst antik gewordenen Tagen, nur noch schemen- oder sagenhaft erinnert, reisten wir mit schweren Rucksäcken und leichten Herzen von Insel zu Insel (Milos ernannte ich zu meiner Lieblingsinsel. Thera fand ich am eindrucksvollsten).
Auf einem der Inselchen erklärte uns der Priester, dass es Wasser erst wieder die Woche darauf geben würde, wenn das Wasserschiff käme… Wein aber gäbe es. – Es war die Zeit der Semsterferien und ich kann nur jedem abraten, derlei im Hochsommer zu treiben!
Schön, dass es mit den griechischen Geschichten weitergeht. Zuletzt übrigens, auch schon wieder ein paar Jahre her, waren wir auf Rhodos. Auch hier war ich beeindruckt, vor allem von dem Zusammenklang, durchaus manchmal etwas disharmonisch, zwischen Antike, Johannitern, Osmanen und Orthodoxie…
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