Zum 1. Advent: Hitler im Kirchenfenster (Reblog)

Die Landshuter Stadtpfarr- und Kollegiatstiftskirche St. Martin und Kastulus ist nicht nur das, neben der Burg Trausnitz, weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt, es ist auch eines der ältesten Bauwerke. Der Vorgängerbau der heutigen Kirche stammte wahrscheinlich aus der Zeit der Stadtgründung im Jahre 1204. Da beim Wiederaufbau Landshuts nach dem verheerenden Großbrand von 1342 das Straßenniveau um drei Meter angehoben wurde, musste die Kirche neu errichtet werden.

Die Liste der Baumeister ist lang. Als erster mutmaßlicher Baunachweis der gotischen Kirche gilt eine 1389 verfasste Urkunde, in der ein gewisser „maister Hanns, paumeister czu sand Martein“ als Siegelbittzeuge auftritt. Gemeint ist der Baumeister Hans Krumenauer, der spätere Baumeister des Passauer Doms. Krumenauer zeichnete nicht nur für die Visierung, also den Planriss des Neubaus, der für die nachfolgenden Baumeister verbindlich war, verantwortlich; er errichtete außerdem bis um 1400 den Chor und die Ostpartie des dreischiffigen Langhauses. 

Ihm folgten Hans von Burghausen, Hans Stethaimer und schließlich Stefan Purghauser, vermutlich ein Sohn von Hans von Burghausen, der den Bau nach über 100 Bauzeit um das Jahr 1500 abschloss. 1598 wurde auf Betreiben des Herzogs Wilhelm V. von Bayern das Kollegiatstift St. Castulus von Moosburg nach Landshut verlegt; die Martinskirche wurde zur Stiftskirche. 1604 wurden auch die Reliquien des heiligen Kastulus von Moosburg dorthin übertragen. Der Turm der Martinskirche ist übrigens mit 130,1 Metern der höchste Backsteinturm der Welt sowie der höchste Kirchturm Bayerns.

Doch wie kommt Hitler in ein Kirchenfenster? Wikipedia schweigt sich darüber aus, doch die Seite der Stadtkapelle St. Martin in Landshut gibt darüber Auskunft: „Alle bildhaft gestalteten Glasfenster in den Seitenkapellen stammen aus der Zeit nach 1945. Die Entwürfe kamen von Münchener und Landshuter Künstlern: Max Lacher, Franz Högner, Josef Bergmann, Peter Gitzinger und Tobias Kammerer. Während sonst fast durchwegs biblische Szenen und Episoden aus dem Leben der Heiligen dargestellt sind, griff man hier auf Themen aus dem Leben der Kirche in Landshut auf. Besonderes Interesse zieht das Kastulusfenster von Max Lacher auf sich, weil sich aus Gesichtern einiger Folterknechte portraithafte Züge bekannter Größen der Nazi-Zeit herauslesen lassen.“

Gemeint sind Hitler, Göring und Goebbels, die in einem der Kirchenfenster verewigt wurden. Die ursprünglichen Fenster aus der Zeit der Gotik vielen dem zweiten Weltkrieg anheim. Ein Schicksal, dass die Landshuter St. Martinskirche mit der Grazer Stadtpfarrkirche „Zum Heiligen Blut“ teilt. Auch hier wurden die gotischen Originalfenster in den Bombernächten bis 1945 zerstört. Mit der Neugestaltung wurde Albert Birkle, ein Salzburger Künstler dessen Kunst im Dritten Reich als entartet galt, beauftragt. Seine Hauptthemen waren die Auferstehung und das Leiden Jesu, doch seine Glasfenster wurden in den 1950er Jahren zum Skandal, denn sie zeigen Hitler und Mussolini an der Seite der Peiniger Christi. 

Birkle, der mit seiner speziellen Technik für Glasfenster weltweit Anerkennung fand – unter anderem ist die National Cathedral in Washington, D. C. mit fünf großen Fenstern von ihm bestückt -, hatte am eigenen Leib erfahren, was Faschismus bedeutet. Vor und auch noch zu Beginn der Naziherrschaft war er ein sehr angesehener Maler in Deutschland, Mitglied der Berliner Secession und noch 1936 Vertreter seiner Heimat auf der Biennale von Venedig. Doch schon ein Jahr später erklärte Hitler persönlich die Arbeit des tiefreligiösen und sozialkritischen Künstlers für „entartet“, und Birkle wurde vorübergehend mit einem Ausstellungsverbot belegt.

Auch Max Lacher, der Künstler, der die Passauer Kirchenfenster zum Teil gestaltete, hatte auch seine Erfahrungen mit dem Nazi-Regime gemacht: 1945 beteiligte er sich an der Vorbereitung und Ausführung des Aufstandes der Freiheitsaktion Bayern und wurde als Mitglied der Widerstandsgruppe in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Nach dem Krieg übte er verschiedene organisatorische Tätigkeiten im Münchner Kunstleben aus, trat dem Berufsverband Bildender Künstler bei und wurde Vorstandsmitglied der Münchener Secession. Außerdem hatte er die Ausstellungsleitung im Haus der Kunst inne, deren Präsident er mehrfach war. 

In beiden Fällen kann also ausgeschlossen werden, dass Hitler und Konsorten hier verherrlicht werden sollen. Im Gegenteil: sie zeigen ihr wahres Gesicht als Feinde des Christentums und der Menschheit. Was einige „Ewiggestrige“ nicht daran hindert zu den Fenstern pilgern zu wollen. So wollten 2015 ungarische Neonazis von „Blood & Honour“ gestern im Rahmen ihrer Europa-Tour das Passauer Kirchenfenster ansehen. Der Stadtpfarrer und gebürtige Münchner Monsignore Dr. Franz-Josef Baur trickste die unerwünschten Besucher einfach aus. Er hängte einen Zettel ans Kirchenportal, nachdem wegen Reinigungsarbeiten geschlossen sei. Der Acht-Uhr-Gottesdienst fand trotzdem statt.

Quellen: Wikipedia, Internetseite der Stadtkapelle St. Martin in Landshut, redaktion 42′ Weblog, der Standard, TIBS Bilderdatenbank. Bildrechte: Coffeenewstom, Kirchenfenster mit Hitler und Mussolini – Reinhold Embacher (http://bilder.tibs.at/node/29345), Bild-Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT.

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