Kretisches Kaffeetagebuch: Villa de Mezzo in Etia

Weit sind wir nicht gekommen seit unserer Abfahrt von Voila. Genau genommen nur etwa drei Kilometer. Dann zog ein Gebäude unsere Aufmerksamkeit auf sich. Auch, wenn der Ort nicht in Kostas Reiseplan auftauchte, so ließe sich hier doch mit Leichtigkeit ein Zusatzhaken verdienen.

Die Rede ist von der Villa de Mezzo in Etia. Diese Mittelaltersiedlung, die in ihrer Blütezeit mehr als 500 Einwohner hatte und damit das größte Dorf der Gegend war, hat eine ganz ähnliche Geschichte, wie das von uns zuvor besuchte Voila, allerdings wurde Etia wohl schon in mittelbyzantinischer Zeit gebaut. Grundlage des Reichtums dieser Region war ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, dass im Laufe der Jahrhunderte immer weiter ausgebaut wurde.

Im 15. Jahrhundert kamen die Venezianer und drückten der Siedlung nicht nur architektonisch ihren Stempel auf. Auch wurde ein Feudalsystem aufgebaut mit regionalen Herrschern. So bekam der Graf de Mezzo Etia und das umliegende Land zu Lehen. Er begann sogleich mit dem Ausbau von Dorf und Herrschaftssitz. Ein feudales Landhaus und Sitz des Bezirkskommandanten.

Zentrales Gebäude von Etia ist das burgartige Herrenhaus. Das prächtig ausgestaltete Gebäude mit seinen reichen Verzierungen gilt als eines der schönsten Beispiele venezianischer Renaissance-Architektur auf Kreta. An einen mit Mauern umgebenen Innenhof mit imposantem Eingangsportal und mehreren Brunnen schloss sich das rechteckige Gebäude an, von dem heute nur noch der 1. Stock erhalten ist. Der Vorraum ist mit einen Steinfußboden und einer Gewölbedecke ausgestattet. Überall im Haus fand sich das Wappen der Familie mit dem Wahlspruch „Intra vostra signioria senza rispetto“ – Tretet ein ohne Scheu.

Ursprünglich hatte das Herrenhaus drei Stockwerke. Das Gebäude hat einen festungsartigen Charakter mit architektonischen Details im Renaissancestil und dekorativen Reliefmotiven mit phantasievollen Kompositionen und Fassaden. Der Grundriss ist rechteckig und das Gebäude gliedert sich in drei Ebenen. Es hatte einen Innenhof und gewölbte Lagerhäuser. Das Dorf Etia erreichte während der venezianischen Besatzung den Höhepunkt seiner Macht und aufgrund der Existenz der Kirchen St. Johannes und St. Aikaterini kann man davon ausgehen, dass das Dorf auch während der byzantinischen Zeit existierte.

Das gesamte Schloss war durch Mauern und einen großen Hof an der Ostseite befestigt. Auf der Ostseite des Hofes befand sich ein Brunnen, der durch das 1,5 km entfernte Aquädukt in Kamaraki gespeist wurde. Außerhalb der Mauer gab es kleine Brunnen für die Reisenden. Die frühere Mauer ist allerdings fast vollständig verschwunden, wie auch das meiste des übrigen Dorfes, bis auf eine Kirche, einige kleine Häuser und Mauern. Ein Haus, dass heute eine Taverne mit Unterkünften beherbergt, wurde wiederaufgebaut.

Als die Türken die Region Sitia eroberten, fiel das Herrenhaus in ihre Hände und wurde zum Haus des ranghöchsten türkischen Beamten, dem das umliegende Gebiet überlassen wurde. Dann wurden mehrere weitere Gebäude rund um den Hof errichtet. In dieser Zeit wurden Eingriffe in das Gebäude vorgenommen, wie zum Beispiel der Anbau eines Badezimmers und ein Abwassersystem. Nun wandelte sich auch der Name von Villa de Mezzo zu Seragio Serai, der sich bei der Bevölkerung bis heute gehalten hat.  Die Kirche St. Aikaterini wurde bis zur kretischen Revolution 1897 von den Türken als Moschee genutzt.

Der letzte türkische Kommandant im Seragio Serai war der berüchtigte Janitschar Mehmet Aga oder Memetakas oder auch Seragianos genannt. Es wird gesagt, dass er mehr als 100 christliche Mädchen vergewaltigt hat. Die Mutter des hundertsten Mädchens, dass sich aus Scham selbst getötet hatte, erwirkte bei der Sultana, der Mutter des Sultans, die Bestrafung des Kommandanten. Er wurde auf Befehl der Sultana vom Pasche von Heraklion hingerichtet.

Das zweite Stockwerk stürzte während des Aufstands von 1828 ein und das erste Stockwerk 1897. Es wird vermutet, dass die Materialien damals für den Bau einer Kirche im Dorf verwendet wurden. Etia wurde in den 1950er Jahren endgültig verlassen, als die meisten Einwohner etwas weiter weg in das modernere Dorf Armeni zogen. Das Regionalbüro der Archäologie-Behörde hat die Villa restauriert und sie unter Denkmalschutz gestellt. Ist ein Wächter vor Ort, kann das Untergeschoss besichtigt werden – und zwar kostenlos.

Wir hatten Glück und wurden eingelassen und konnten so das restaurierte Untergeschoss bewundern. Einige Tafeln geben Auskunft über die bewegte Geschichte der Villa, wie der Gegend. An der Außenmauer hatte sich ein Schwarm wilder Bienen festgesetzt, was unsere „Aufpasserin“ nicht zu beunruhigen schien. Die seien spätestens in ein paar Tagen wieder weg, meinte sie. Wir aber schon eher, einer schönen Erfahrung und um einen Haken reicher.

Quellen: boarding-time.de, meetcrete.com, cretanbeaches.com, unescositesincrete.gr, destinationcrete.gr, crete-today.com, casadeimezzo.com.

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