An einem Tag im Jahr 1961 pflügte ein Bauer aus dem vier Kilometer entfernten Zakros sein Feld. Seine Felder lagen etwas abseits des Dorfes in der fruchtbaren kleinen Ebene am Strand inmitten einer kargen und doch malerischen Landschaft. Er stieß beim Pflügen immer wieder auf zahlreiche große und exakt behauene Quader sowie Fragmente von Vasen. Unter seinem Feld verbarg sich ein minoischer Palast. War man bisher von drei minoischen Palästen ausgegangen – Knossos, Malia, Phaistos – so mussten man nun einen vierten hinzufügen: den Palast von Zagros.

Wir fahren durch eine sanfte, hügelige Bergwelt. Die Landschaft wirkt auf den ersten Blick karg. Auf Terrassen stehen Olivenbäume. Doch auch hier sehen wir am Straßenrand viele Sträucher, Büsche und Wildkräuter, die der Luft einen würzigen Geruch verleihen. So kommen wir nach Zagros, einem kleinen Dorf mit einigen Tavernen, einer Apotheke, eine Tankstelle am Ortsrand und einem Minimarkt. Kaum hat man das Dorf erreicht, dann ist man auch schon fast durch. Und wieder geht es durch Olivenhaine und vorbei an den Grundmauern einer minoischen Villa. An einem Parkplatz ist der Einstieg in die die Schlucht von Zagros, besser besser bekannt als das Tal der Toten, weil hier in minoischer die Verstorbenen in Höhlen beigesetzt wurden.

Als die Ausgrabungen begannen, glaubte man zunächst eine minoische Handelsstadt wie Roussolakkos bei Palekastro gefunden zu haben. Als jedoch die Ausgrabungen intensiviert wurden, stieß man auf einen vierten minoischen Palast der, im Gegensatz zu den bisherigen, weitestgehend unversehrt und nicht geplündert war. Der ursprüngliche Name der Stätte könnte Dikta gelautet haben. In den umliegenden Häusern, die nicht direkt zum Palast gehörten, fand man zahllose Tongefäße und Vasen aus Kristall. Ein Hinweis darauf, dass dieser Ort fluchtartig verlassen wurde. Eine Naturkatastrophe? Ein Überfall? Man weiß es nicht. Die Funde jedenfalls sind im Archäologischen Museum von Iraklio und im Museum von Sitia ausgestellt.

Nach dem Parkplatz zur Schlucht wird die Vegetation spärlicher. Wären da nicht die vielen niedrigen stacheligen Büsche, fände man sich in einer Steinwüste wieder. Vereinzelt blitzt schon am Horizont das Meer durch. Dann, nach einer langen Rechtskurve, in die hinein eine große, wohl vom Optimismus getragene Taverne gebaut wurde, ein erster Blick auf das tiefblaue Meer. Eine Linkskurve, eine lange Gerade. Es scheint, als würde die Straße irgendwo im Wasser enden. Das tut sie nicht, nach einer weiteren Linkskurve vorbei an Felsen weitet sich der Blick und vor einem liegt das kleine, fruchtbare Tal von Kato Zagros, dem unteren Zagros, eine grüne Oase zwischen Wüstenei und Meer.

Der Palast von Zagros wurde etwa 1.600 v. Chr. erbaut. Wenn er auch kleiner war, als die Paläste von Knossos, Malia und Phaistos, so stand er ihnen in seiner Bedeutung in nichts nach. Seine Lage an der Ostküste Kretas war ideal für den Handel mit Kleinasien und Ägypten. Den Palast und die dazugehörige Wohnstadt hat man freigelegt, nicht aber den Hafen. Er war wohl ein großer Umschlagplatz für Gold, Kupfer, Bronze und Elfenbein, dass aus Ägypten importiert wurde, wie zahlreiche Fundstücke belegen. Viele dieser Rohstoffe wurden von minoischen Künstlern und Handwerkern veredelt. Die so entstandenen Kunstgegenstände waren im gesamten Mittelmeerraum sehr begehrt. In der Anlage fand man auch den ältesten bekannten Metall-Schmelzofen der Welt. Durch Kanäle wurde die Luftzufuhr zum Ofen gesteuert, in dem Erze und Holzkohle aufgestapelt waren. Die flüssige Bronze konnte durch ein Ausgussloch abfließen.

Heute besteht Kato Zagros aus einer Bushaltestelle, einem Parkplatz und sage und schreibe vier Tavernen direkt am Meer. Von dem großen Rummel um Knossos merkt man hier nichts. Vielleicht macht das diesen Palast noch geheimnisvoller, da er von einer majestätischen Ruhe und Stille umgeben ist. Auch diese Ausgrabungsstätte haben wir fast für uns alleine, wären da nicht nicht die zahlreichen Wasserschildkröten, die in der Sonne chillten. Weshalb wir sie auch Chillkröten tauften. Und so konnten wir in aller Ruhe die Gassen, Treppen und steinernen Möbelstücke betrachten.

Zakros und Kato-Zakros gehören zur Region “Sitia”, einem der östlichsten Regionen im Lasithi Landkreis. Die Meisten Menschen arbeiten hier in der Landwirtschaft, speziell im Bereich der Oliven- und Olivenöl-Produktion und Exporte. Viele Menschen hier sind noch Selbstversorger. Die 250.00 Olivenbäume des Dorfes werden wie von alters her mit dem Quellwasser aus den Felsen oberhalb des Dorfes bewässert. Ein seit Jahrtausenden mit Wasser “gesegneter” Ort. Dies sorgte dafür, dass die Leute nie weggewandert sind und das Land immer bearbeiten konnten. Das sorgte auch gleichzeitig dafür, dass die Gegend nicht durch das Etablieren von wachsendem Massentourismus verändert wurde.

Apropos Tourismus. Wir müssen uns leider von der Verschwiegenheit der Bucht von Zagros verabschieden, denn wir sind im oberen Zagros vor dem Minimarkt mit unserer heutigen Vermieterin verabredet. Wo werden wir speisen? Hier unten romantisch am Meer oder oben, wo wir die Tavernen fußläufig erreichen können? In diesem Moment wussten wir noch nicht, dass uns diese Entscheidung abgenommen werden würde…

Quellen: Wikipedia, globetrottel.net, katozakros-accommodation.com, Kurt Roeske, Kreta – die Insel der Mythen im Spiegel antiker Zeugnisse.
