Kretisches Kaffeetagebuch: Agios Nikilaos – Migomis Piano Restaurant & Café

Eigentlich hatte Kostas ein anderes Café für uns ausgesucht. Doch das existierte wohl nicht mehr, weshalb wir etwas konsterniert durch die Gegend liefen. Doch eines nach dem anderen. Martin hat einen alten Kreta-Reiseführer dabei. John Bowmans „Kreta, ein Reiseführer“ aus dem Jahr 1965. Dieser Reiseführer hat uns etwas voraus: er war vor 55 Jahren schon einmal auf Kreta.

Über Agios Nikolaos steht da: „Aj. Nikolaos ist eine kleine, stille Hafenstadt mit weniger als 4000 Einwohnern. Ihr gutes Klima und ihre schöne Lage machen sie zu einem beliebten Ferienort. Als Provinzhauptstadt von Lassithi ist sie zentraler Ausgangspunkt für eine Reihe schöner, lohnender Ausflüge und Besichtigungen. Es lebt sich gut in dem sauberen, gepflegten Städtchen mit den vielen schattenspendenden Bäumen und den frischgekalkten kubischen Häusern rund um den malerischen Hafen. Die Stadt selbst weist keinerlei archäologische Sehenswürdigkeiten auf. (…)

Heute ist dieser Hafen das Reizvollste an Aj. Nikolaos. Von einem der hier gelegenen Cafés kann man ihn so recht genießen. Ab und zu patroulliert ein Wachboot, ein Fischerboot kehrt vom Fischfang zurück, ein anderes löst sich von der Mole und fährt ins Meer hinaus. (…) Die grösste Sehenswürdigkeit der Stadt ist der etwa 20 m landeinwärts gelegene Voulismeni-See, der, nicht-vulkanischen Ursprungs, wohl die Austrittsstelle eines unterirdischen, aus den Bergen kommenden Flusses ist. Gemäss einer Überlieferung wird er „Bad der Artemis“ genannt.

Es wird behauptet, es bestehe zwischen ihm und der im Norden des kretischen Meeres gelegenen Vulkaninsel Santorin eine Unterwasser-Verbindung. Der Durchmesser des Teiches beträgt ca. 65 m, und obwohl man ihm Unergründlichkeit nachsagt, behaupten Skeptiker, tiefer als 70 m sei er keinesfalls.“ Heute, 60 Jahre später, hat sich die Einwohnerzahl verdreifacht, die meisten der frischgekalkten kubischen Häusern sind modernen Mietskasernen gewichen und mittlerweile hat man einiger Ruinen der antiken Hafenstadt „Lato pros Kamara“ freigelegt. Schon bevor die Venezianer hier einen kleinen Binnenhafen mit dem Namen Mandraki unterhielten, lag hier in archaischer Zeit der Hafen der Stadt Lato.

Was bis heute nichts an seiner Faszination eingebüßt hat, ist der Limni Voulismeni, der Voulismeni-See. Weder die Unergründlichkeit, noch die Direktverbindung nach Santorin oder Atlantis lässt sich wissenschaftlich untermauern. Ein Rätsel gibt es aber doch: mehrere Bewohner bezeugen, dass die Deutschen vor ihrem Rückzug hier Kriegsgerät in nicht unerheblicher Menge versenkt haben – von dem bis heute jede Spur fehlt. Taucher konnten nicht einmal die kleinste Patrone bergen.

Auch bereits Geschichte ist das Café von dem man die beste Aussicht auf den See hat. Der Inhaber eines Geschäfts wusste die Antwort: Das Café sei geschlossen und das Migomis Piano Restaurant sei ein guter Ersatz mit einem vergleichbaren Blick auf den See. Also kehrten wir dort auf einen griechischen Bergkräuter-Tee und zwei Cappuccino Freddo ein und genossen die Aussicht. Hier konnten wir ein ganz besonderes Schauspiel beobachten: am steilen und felsigen Ostufer des Sees nisten in kleinen Höhlen und auf kleinen Vorsprüngen Tauben. Die allerdings werden bei jeden „Ausflug“ von Möwen verfolgt und gejagt.

Das Möwen andere, kleinere Vögel jagen ist gar nicht ungewöhnlich. Hier betätigen sich die Möwen als Räuber und Jäger. Sie plündern fremde Nester und verfolgen die Elterntiere, wenn die nach Nahrung ausschwärmen. So wurden wir Zeugen spektakulärer Luftkämpfe. Die Gejagten schlugen Haken, flogen enge Kurven und es gelang ihnen bis zu drei Verfolger abzuschütteln. Zumindest während wir zusahen sind alle Tauben ihren Häschern entkommen. Denn insgeheim hielten wir zu den Verfolgten. So, jetzt wird es aber langsam Zeit fürs Abendessen, doch dazu komme ich erst morgen.

Migomis Piano Restaurant & Café, Nikolaou Plastira 20, Nikolaou Plastira 22, Agios Nikolaos, Kreta, Griechenland; Öffnungszeiten: ganzjährig täglich 08:00 – 02:00 Uhr. Quelle: John Bowman, Hanni Guanella, Kreta, Ein Reise- und Kunstführer, 1965, Flammberg Verlag. Rechtschreibung beibehalten.

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