Eben noch auf dem ruhigen Meer dahingeeilt, jetzt im quirligen Leben des kleinen Hafens. Immer, wenn eine Fähre eine Herde von Menschen auf den Pier ausspeit, verteilen sich die in Windeseile auf die Taxis und Busse. Andere machen sich zu Fuß auf den Weg, bleiben für den Inselaufenthalt doch noch wenige Stunden, will man die Fähre zurück noch erwischen.

Meine Pläne sind anders. Ich habe mir bereits vorher ein Zimmer gebucht und kann das Patmos-Pflichtprogramm – Höhle, Kloster, Hafen – daher entspannt angehen. Mein Hotel ist nicht weit von der Anlegestelle. Ein Wegweiser bestätigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin und nur wenige Augenblicke später warte ich in der kühlen Lobby darauf, dass mir jemand meinen Zimmerschlüssel aushändigt.

Was soll ich sagen? Das Zimmer ist genau so, wie ich es mir für einen Griechenlandurlaub vorstelle. Weiß gestrichen, Möbel aus hellem Holz, Klimaanlage, ein Kühlschrank, ein Fernseher, ein kleiner Balkon mit Tisch und zwei Stühlen. Einzig der im Buchungsportal angepriesene Blick auf das Inselmonument, das Kloster, bleibt ein uneingelöstes Werbeversprechen. Was soll’s, ich werde das Kloster noch genügend oft zu sehen bekommen.

Das Hotel selbst liegt leicht erhöht über Skala und schmiegt sich in den Hang. Der Blick vom Balkon ist zwar klosterlos, dafür öffnet sich zu meinen Füßen ein Innenhof, geschützt durch den Halbkreis des Hotels. Büsche spenden etwas Schatten, rote und weiße Blüten bilden mit dem frischen grün der Pflanzen den einzigen Kontrast zu dem weiß der umliegenden Häuser.

Ja, mein Hotel ist ein echter Glücksgriff! Hier lässt es sich gut aushalten. Fast schade, dass ich nur eine Nacht hier bleiben werde. Vor über 30 Jahren, bei meinem ersten Aufenthalt auf der Insel, war vieles noch anders: Direkt am Landungssteg im Gebäude der Hafenmeisterei, einem Paradebeispiel italienischer Kolonialromantik, bekamen wir vom Municipal Tourist Information Office unbürokratisch ein günstiges Zimmer vermittelt und die Koffer waren noch nicht ansatzweise ausgepackt, da hatte wir uns schon in das Hafenstädtchen verliebt.

Nur wenige Schritte von unserem Quartier lag eine einladende Taverne. Von der Terrasse aus konnte man abends den Fischern zusehen, wie sie ihren Fang an den kleinen Pier brachten. Der Fischer- und Jachthafen liegt etwas oberhalb des Fähr- und Handelshafen ein Stück weit geschützt durch die natürliche Bucht. Zusammen mit den Fischen kamen auch die Oktopoden, die von Kindern unermüdlich auf die Kaimauer gedroschen wurden, damit sie weich bleiben. Dann wurden die Tiere an einer Leine aufgespannt.

Schließlich kamen die kleinen Kraken zu Ioannis, den Grillmeister der Taverne. Sein Job war es die Arme der Weichtiere als Vorspeise und allerlei Fleischstücke als Hauptspeise über Holzkohlen zu grillen. Zu den krossen Tentakeln brauchte man nichts als eine Scheibe Weißbrot, ein Achtel Zitrone und eine Plastikflasche mit Essig, fertig war der erste Gang. Das ist so lecker, dass ich mich daran gewöhnte und vermutlich jeden Abend bei Ioannis bestellte.

Ioannis war eigentlich damals schon in Rente. Ob er den Grill-Job als Zuverdienst oder aus Spaß machte, konnte ich nicht herausfinden. Allerdings kamen wir durch den gegrillten Oktopus ins Gespräch und wenn wir uns abends auf den Weg zur Taverne machten, grüßte er uns schon von Weitem. Aus dem losen Kontakt wurde so etwas wie Freundschaft. Rückblickend war Ionnis der erste Grieche, den ich näher kennenlernte und von dem ich erfuhr, was es mit der griechischen Freundlichkeit auf sich hat.

Ioannis empfahl mir die Insel doch mit einem Roller zu erkunden. Ich saß noch nie auf sowas und Ioannis zeigte mir alles, was ich dazu wissen musste – auf seinem „Mechanaki“, seinem Roller und „free of charge“. Ich hätte seine Honda 50 ccm wahrscheinlich tagelang nutzen können, doch ich wollte mir lieber einen offiziell ausleihen, da er kein Geld von mir annahm. An einem Tag zeigte er uns sein Haus mit den drei Apartments, die er vermietete. Die waren natürlich wunderschön, kosteten aber das Dreifache von dem, was wir gerade zahlten.

Wer jetzt meint, Ioannis hätte das alles nur gemacht, um mich als Kunden anzuwerben, der tut ihm Unrecht. Natürlich hätte er nichts dagegen gehabt, wenn wir uns bei ihm einquartiert hätten, aber das war nicht der alleinige Zweck der Übung. Er wollte uns zeigen, was sich seine Frau und er aufgebaut haben. Aber wenn nicht jetzt, vielleicht würden mir ja später einmal seine Gäste sein. Dann gab es griechischen Kaffee – von Ioannis lernte ich meinen Kaffee auf Griechisch zu bestellen – und von seiner Frau gebackene pappsüße Kekse.

Wenn ich an Patmos zurückdenke, dann fällt mir sofort die Taverne am Hafen ein, die heimkommenden Fischer, die Kinder mit den Oktopoden und natürlich Grillmeister Ioannis. Und genau dieser Kaffee mit den süßen Keksen auf dem Balkon von seinem Vorzeige-Apartment. Der Beginn einer wundervollen Freundschaft – zu Griechenland, seinen Menschen und zum griechischen Kaffee. Auf genau den bekomme ich gerade Lust. Außerdem muss ich jetzt los: einen Roller mieten!
Bildrechte: Coffeenewstom, Bild von Greg Montani auf Pixabay, Bild von Ronny Roosen auf Pixabay.
Das Hotel sieht schmuck aus. Und beim Anblick der gegrillten Oktopoden überkommt mich grad ein leises Hüngerchen…
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Der ist auch immer sehr lecker!
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