Kaffeereise: Olbia

Osterferien und wir müssen daheim bleiben – schon wieder! Mit Verreisen ist ja wohl auch im zweiten Corona-Jahr eher nichts. Aber davon lassen wir uns die Ferienlaune nicht verderben. Wenn wir nicht selbst in die Ferne schweifen können, dann machen wir es wenigstens in Gedanken. Denn die sind ja bekanntlich frei! Also verreisen Sie mit mir an einige der schönsten Kaffee-Orte!

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Heute reisen wir in Gedanken an einen Ort, den das sardische Fremdenverkehrsamt so beschreibt: „Olbia ist eine muntere Stadt im Nordosten Sardiniens. Wer hier mit Flugzeug oder Fähre landet, ist mittendrin im mediterranen Lebensgefühl: Kleine, verwinkelte Gassen wechseln sich ab mit schicken Shoppingangeboten – und in der Bucht von Olbia warten idyllische Traumstrände.“ Auf Ab-in-den-Urlaub heißt es: „Mit etwa 60.000 Einwohnern ist Olbia die viertgrößte Stadt auf Sardinien. (…) Olbia begeistert seine Gäste mit provinziellem Charme, was gerade für die Altstadt gilt. Sie ist geprägt von verschlungenen Gässchen und bunten Häusern. Verbindet einen Schaufensterbummel mit einem Päuschen in einem der Cafés oder Restaurants.“

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Mediterranes Lebensgefühl? Provinzieller Charme? Päuschen in einem Café? Da bin ich richtig! Also der ideale Zeitpunkt für eine kleine Bestandsaufnahme, was die Kleinstadt an Cafés zu bieten hat. In der Tat ist es schwieriger hier kein schönes Café zu finden, als in einem solchen zu landen. Sitzen bleibe ich das erste Mal im Cafè Matteotti an der namensgebenden Piazza Giacomo Matteotti. Hier ist man tatsächlich schon etwas abseits der größten Touristenströme. Und hier sitzt man im Inbegriff eines italienischen Cafés.

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Das Café Matteotti liegt an der Ecke zur Via Regina Elena und kann von zwei Seiten betreten werden. Im Inneren erfreut als erstes die klassische Einrichtung: eine Theke aus Holz und Marmor mit einer ansehnlichen Bar, eine professionelle, italienische Kaffeemaschine und große Vitrinen gefüllt mit Tramenzini, Sandwiches und allerlei süßem Gebäck. Die Bestuhlung ist im Kaffeehaus-Stil und lädt zum Verweilen ein. Trotzdem zieht es mich nach draußen in die Sonne. An beiden Flanken sind Stühle und Tische aufgebaut, doch entscheide ich mich für einen Tisch Richtung Piazza, wo ein Brunnen mit unbekleideten Jungfrauen murmelnd vor sich hinplätscherte.

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Ich empfehle für unseren virtuellen Besuch hier einen Espresso und ein Bombolone, ein süßes Backwerk gefüllt mit Vanillepudding. Die Bedienung ist freundlich und schnell, das Bombolone lecker und der Espresso kräftig. So stelle ich mir Italien vor! Zeit, sich die anderen Gäste etwas anzusehen. Neben einigen wenigen Touristen sitzen hier vor allem Einheimische. An einer Art Stammtisch wechselt die Besetzung ständig, einer zahlt und geht, ein anderer kommt vorbei und setzte sich auf den eben freigewordenen Platz, die Unterhaltung ist wort- und gestenreich und vor allem laut. An einem anderen Tisch gibt es wohl etwas zu feiern, es wird eine Flasche Sekt mit lautem Knall geöffnet und dann in einen silbernen Kühler geparkt. 

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Zeit für einen Blick in die Geschichte Olbias. Besiedelt war dieser Teil der Insel schon im Neolithikum, also vor 6.000 Jahren. In der Bronzezeit ab ca. 1500 v. Chr. breitete sich hier die Nuraghenkultur mit den typischen stumpfkegeligen Rundtürmen, Brunnenheiligtümern und Hünengräbern aus. Die erste Besiedelung von Olbia erfolgte um 750 v. Chr. durch die Phönizier, die regen Handel mit Etruskern und Laziern trieben.

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80 Jahre später entstand eine griechische Siedlung. Aus dieser Zeit stammt auch der griechische Name Olbia, die Glückliche. Wieder ein Jahrhundert später übernahm Karthago die Insel und befestigte den Stützpunkt in Olbia. Aus dieser punischen Zeit stammen die Reste einer Stadtmauer, die in der Stadtmitte erhalten geblieben ist. Bezeichnender Weise war dies die gut befestigte Westmauer, die also Angriffe aus dem Landesinneren abwehren sollte. Ein Indiz dafür, dass die Sarden der Nuraghenkultur gegen die Besatzer Widerstand leisteten.

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Seitdem die Phönizier in Olbia ihre Handelsniederlassung errichteten, gaben sich die Herrscher der Insel quasi die Klinke in die Hand: die namensgebenden Griechen, Punier, Etrusker und Römer, Byzanz, Pisa, Sizilien und Spanien, später noch Österreich, Piemont und Italien, nur die Sarden scheinen selbst nur selten Besitzer ihrer Insel gewesen zu sein. Heute ist Sardinien eine autonome italienische Region und Olbia eine Stadt im Inselteil Sassari.

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Die jeweiligen Herrscher waren natürlich jeder für sich bemüht der Stadt ihren Stempel aufzudrücken, mehr oder weniger nachhaltig. Umbauten, Abrisse, Wiederaufbauten, Renovierungen, Umgestaltungen, manchmal wird es fast schwierig nachzuvollziehen wer, was, wann, gebaut hat. So zusammengewürfelt – etwas poetischer ausgedrückt einer Melange gleich – ist auch die Altstadt. Die Kirche San Paolo zum Beispiel wurde im Mittelalter auf den Ruinen eines römischen Tempels errichtet, später barockisiert, 1939 in Teilen abgerissen und in den 90ern wiederaufgebaut.

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Doch es ist gerade diese architektonische Melange, die den Charme dieser Stadt ausmacht. Die verwinkelten Gassen und Gässchen sind heute frisch aufgepflastert. So kann man mit unbeschadetem Schuhwerk durch die Straßén streifen. Doch auch das macht müde. An der Piazza Regina Margherita im Herzen der Altstadt entscheide ich mich aber nicht für das dienstältere Caffè Cossimino, sondern für das deutlich modernere Bistro-Café Mary

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Klar und schlicht in der Einrichtung, dient einzig ein großes, buntes Gemälde als Blickfang. Und natürlich gibt es die raumgreifende und gut ausgeleuchtete Bar mit den üblichen Gebäckstücken und frischen Früchten. Hier stammt die Bohne für meinen Espresso übrigens von Segafredo. Ach ja, und er kostet nur einen Euro. So gestärkt gönne ich mir jetzt noch ein Stück Kultur.

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Hinter dem Bahnhof steht etwas erhöht über der Stadt die romanische Basilika San Simplicio, benannt nach dem mutmaßlich ersten Bischof und Märtyrer der Insel. Der Vorgängerbau der ehemaligen Kathedrale war eine byzantinische Kirche, errichtet um das Jahr 600, die, wie damals üblich, über einem Heiligtum der Vorgängerreligion, in diesem Fall einem Tempel aus römischer Zeit und einer noch älteren Nekropole erbaut wurde.

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Doch diese Taktik rächt sich irgendwann. In diesem Fall war der Bau der Tiefgarage unter der Kirche der Auslöser. Die Grabungen brachten die bewegte Geschichte an den Tag und die freigelegten Gräber erlauben heute einen Blick tief in die Vergangenheit Olbias. Zugang zu dieser Ausgrabungsstätte erfolgt über das Parkhaus.

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Gegenüber der Kirche verspricht ein Café, das „Latte e Miele„, dass dort Milch und Honig fließen. Also nichts wie hin. Im Inneren zwei Räume. Ein Verkaufsraum mit großer Auslage und ein zweiter, etwas größerer Raum mit Tischen und Stühlen, alles sehr hell und mit viel Weiß. Im Angebot gibt es zahlreiche hausgemachte Backwaren und Kaffee von Moak, einer Kaffeerösterei aus Modica auf Sizilien.

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Die Sonne hat sich gerade durch die Wolken gekämpft, deshalb gibt es für mich nur einen Platz im Freien. Natürlich mit Blick auf San Simplicio und den Platz vor der Kirche. Einen Keks gönne ich mir zu meinem Espresso. So genieße ich die erste Wärme des Frühlings, ein lauer Wind weht vom Meer her, würzig und leicht salzig. Zum alten römischen Hafen sind es von nur wenige hundert Meter. Aber da gibt es nicht viel zu sehen. Da war die verwinkelte Altstadt von Olbia schon spannender…

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Am nächsten Reiseziel gibt es den besten Kaffee im Gemeindehaus, wobei das im Hinblick auf die verschwenderische Jugendstil-Pracht eine bloße Untertreibung ist. Morgen geht es nach Prag. Hier geht es zurück nach Linz!

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8 Gedanken zu “Kaffeereise: Olbia

  1. Diesmal ist Dein Foto dscn2981 (das siebente von unten) mein Favorit. Herrlich! Ich war noch nie auf Sardinien, doch kann ich den Namen nicht hören, ohne etwas durchweg Positives damit zu verbinden. Eine Kollegin von mir (Jahrzehnte zurück) pflegte dort regelmäßig mit ihrem Mann den Urlaub zu verbringen. Sie nannte die Insel „Sardinchen“, und ihr Gesichtsausdruck, wenn sie das aussprach, stellte die Werbung jedes Reiseveranstalters in den Schatten.

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    1. Es ist schon besuchenswert. Eine schöne Insel, viele Cafés, nette Menschen, gutes Essen. Sardinien hat eine ganz eigene Küche. Der Kaffee ist billig – gemeint ist der Espresso, den es auch in den Cafés in der Altstadt für einen Euro gibt. Wenn Corona vorbei ist käme durchaus ein Zweitbesuch in Betracht…

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