Arezzo, oder die Rache der Kassiererin

Da war ich also wieder auf der Jagd nach dem richtigen Keks zu meinem Kaffee. Diesmal suchte ich im heimischen Supermarkt und fand eine feine Blätterteigkreation aus der Toskana. Kleiner Schönheitsfehler Nummer eins: diese empfindlichen Teilchen, den deutschen Schweineohren nicht unähnlich, gehen auf dem Transport gerne einmal zu Bruch. Kleiner Schönheitsfehler Nummer zwei: sie lagern im untersten Regal. Um also eine Packung mit möglichst vielen unzerbrochenen Keksen zu finden, musste ich mich in erdnächste Stellung begeben. Aber ich wurde fündig. Vorerst.

Jetzt kommt die Kassiererin ins Spiel. Scannerkassen machen es möglich den zu bezahlenden Endpreis in Windeseile zu ermitteln. Dafür werden die Waren, die man zuerst auf dem Fließband aufgetürmt hat, von einer Kassenkraft über einen Scanner gezogen, was mit einem Quittungston bestätigt wird. Danach wird die gescannte Ware auf einem Feld in der Größe eines DIN-A-4-Blattes abgeladen, was den Kunden dazu zwingt sie in Windeseile zu verstauen. Um das in der zur Verfügung stehenden Zeit ohne Verluste beim Packen oder beim späteren Heimtransport zu bewerkstelligen, ist eine genaue Planung notwendig.

Dafür lade ich die zu bezahlenden Waren schon in der Reihenfolge auf das Band, in der sie eingepackt werden sollen. Ganz vorne Milchpackungen, Konservendosen und Plastikpackungen, danach weniger kompaktes Einkaufsgut, bis zu Zerbrechlichem, wie Eier, Chips, empfindliches Obst oder eben Kekse. Ganz am Ende kommt das Klopapier, weil das nicht eingepackt wird und sonst im Weg umgeht. Allerdings werden meine logistischen Fähigkeiten nicht von allen Kassenkräften gleichermaßen geschätzt.

„Wo ist denn Ihr Wagen?“, fragte mich kürzlich eine solche. Ich entgegnete, dass ich keinen hätte. „Wohin wollen Sie denn dann die Sachen packen?, fragte sie mich. Ein Hinweis über die sich bereits in meiner Hand befindlichen Taschen und Tüten befriedigte sie nicht. Dabei gibt es zwei Gründe, die für mich gegen die Benutzung eines Einkaufswagens sprechen: zum einen kaufe ich dann gerne mal zu viel ein, mitunter mehr, als ich tragen kann, zum anderen ist wegen der Corona-Regeln die Kassenreihe im Obergeschoss gesperrt und im Untergeschoss ist kein Platz zum Einräumen, außer man steht im Weg.

Das erläuterte ich ihr natürlich nicht. Ich beließ es bei einem „Ich schaff‘ das schon!“ Es schien mir aber, als wollte sie mich Lügen strafen und scannte die Waren extra schnell. Es war eine Herausforderung, aber irgendwie behielt ich die Oberhand. Die restlichen Sekunden holte ich beim Bezahlvorgang wieder auf. Was ich nicht wusste: das war nur die erste Runde!

War es Schicksal, dass ich genau an dem Tag, als ich meine bis dahin noch unbeschädigten Arezzo „Pasticceria Italiana“ auf das Kassenband legte, genau auf diese Kassiererin traf? Streng nach meiner Packordnung waren die Kekse das Letzte vor dem Klopapier. Sie scannte, ich packte, alles war gut. Bis sie das Toilettenpapier mit Schwung über den Scanner zog. Gerade wollte ich die Hand nach den Keksen ausstrecken, als diese von der Großpackung Extraweich 200 Blatt angestoßen, etwa auf Schallgeschwindigkeit beschleunigten und mit lautem „klatsch“ meterweit entfernt aufschlugen. In meiner Erinnerung grinste die Kassiererin mich dabei fröhlich an, während sie ein kaum hörbares „tschuldigung“ murmelte.

Ich hatte nun die Wahl spontan vom Kauf zurück zu treten oder mich zähneknirschend zu bücken, was ich tat. Auf „Storno Kasse 17“, und auf den Filialleiter zu warten oder nochmal einen Stock höher zu gehen und eine andere Packung auszusuchen, hatte ich keine Lust. Zuhause angekommen besah ich mir den Schaden. Zwei Drittel der Kekse waren zerbrochen, schmeckten aber trotzdem – Blätterteig halt, da kann man nix falsch machen! Im Bild einer der wenigen Überlebenden der Schlacht an der Kasse. Für die nächste Runde suche ich mir aber robustere Kekse aus!

27 Gedanken zu “Arezzo, oder die Rache der Kassiererin

  1. …oder man sucht sich eine weniger robuste Kassenfachkraft. Hat wohl früher mal auf´n Schlachthof gearbeitet. *lach* Aber toll geschrieben die Story. Man hat das was kommen mußte quasi vor Augen, denn noch ist die Story lustig-spannend.

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  2. Ich würde sagen, da hast du deinen Sieg beim Einpacken teuer bezahlt 😉 Ach, das sind die Momente, die die Monotonie des Alltags in fröhliche Farben tauchen…
    Aber ich gebe dir Recht, ich mag auch keine zerbrochenen Kekse. Sie schmecken zwar genauso, aber trotzdem…

    Lg Kasia

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  3. Ich bin begeistert. Nicht etwa von den zerbrochenen Keksen oder von der rabiaten Kassiererin, sondern viel mehr von deinen logistischen Fähigkeiten und deinen Einpackkünsten. 🤩 Der wahre Krieg herrscht an der Kasse: Koordination, Schnelligkeit, logistisches Wissen, Multitasking, es wird einem alles abverlangt.😄

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      1. Ich hörte, dass in Italien andere Gesetze herrschen. 😄 Eine wahre Begebenheit: Jedesmal bespreche ich die Taktik kurz vor der Kasse mit dem Römer. Er willigt nickend ein. Nur, dass er dann macht, was er will. Planlos wirft er einen Sack Kartoffeln auf den Eierkarton. Alles in mir verkrampft sich. Ich verkneife mir den giftigen Kommentar bis er mit Schwung das Glas Passata auf den Kartoffelchips platziert. Bei einer Paartherapie wäre das mein erster Punkt auf der Agenda. 😅

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          1. Wie recht du hast! Dass ich nicht selber darauf gekommen bin? Wie soll er denn auch an der Kasse glänzen können, wenn wir noch nicht einmal die Theorieeinheiten durchgenommen haben? Ein Dry run in einer Attrappe wäre auch wichtig. Ich werde mich sofort darum kümmern. 🤩😉

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  4. Herrliche Geschichte! Es geht den Menschen also wie den Leuten. Und ich dachte immer, nur ich hätte diesen Stress beim Einpacken an der Kasse. Danke, vielleicht bin ich doch „normal“ 😉

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    1. Seit es diese Scanner-Kassen gibt, sind die einfach zu schnell für Otto-Normalkunde. Schnell die Waren auf“s Band und dann husch, husch einpacken. Das geht nur mit voller Konzentration und solider Planung. Wie man trotzdem aus der Spur kommt, das erzähle ich beim nächsten Mal…

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