Kaffeereise: Tegernsee

Osterferien – und wir müssen daheim bleiben. Mit Verreisen ist ja wohl erstmal eher nichts. Aber davon lassen wir uns die Ferienlaune nicht verderben. Wenn wir nicht selbst in die Ferne schweifen können, dann machen wir es wenigstens in Gedanken. Denn die sind ja bekanntlich frei! Also verreisen Sie mit mir an einige der schönsten Kaffee-Orte Europas! Diesmal wollen wir unseren virtuellen Osterspaziergang rund um den bayerischen Tegernsee machen. Der Tegernsee liegt rund 50 km südlich von München in den bayerischen Alpen und ist ein beliebtes Ausflugs- und Fremdenverkehrsziel. Wichtigster Zulauf des Tegernsees ist die Weißach, welche in den Ringsee, eine Bucht im Südwesten des Sees, mündet. Einziger Abfluss ist am Nordende des Sees bei Gmund ist die Mangfall, die bei Rosenheim in den Inn mündet.

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In Grund wollen wir auch unseren Spaziergang beginnen. Im schönen, historischen Bahnhof versorgt uns das Fremdenverkehrsamt mit einem Busfahrplan. Wenn wir nicht die ganze Strecke laufen wollen, werden wir den heute noch brauchen! Doch noch nötiger brauchen wir jetzt ein Frühstück. Gut, dass direkt neben dem Bahnhof das alteingesessene Café Wagner, natürlich mit eigener Konditorei und viel verlockendem Süßkram. Das Café öffnet auch am Samstag schon um 08:00 Uhr und ein kleines Frühstück besteht aus einer Tasse Seeberger Kaffee, einer Semmel, Butter und Marmelade.

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Das Café selbst ist leicht alpenländisch eingerichtet. Die klassisch gekleidete Servierdame ist flink, freundlich und dabei humorvoll. Gerade Stammgäste scheinen ihre lockere und doch professionell-verbindliche Art zu schätzen. Die Semmel ist resch und frisch, der Kaffee heiß und aromatisch. Doch was ist eigentlich ein Seeberger Kaffee?

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Gewürze, Früchte, Kaffee, Tee: Als der Ulmer Kaufmann Christoph Seeberger 1844 seinen Kolonialwarenhandel gründete, kam der exotische Genuss aus Übersee über das Meer, auf der Donau oder über Land bis in die Ulmer Pfluggasse. Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt der Kaffee durch erschwinglichere Preise einen regelrechten Boom und eroberte Küchen und Tassen auch weniger wohlhabender Bürger. Seebergers Sohn Friedrich erkannte diese Chance und röstete fortan in eigener Kaffeegroßrösterei den Seeberger Kaffee in bester Lage am Ulmer Marktplatz. Heute ist Seeberger eine moderne Rösterei, die Wert auf Nachhaltigkeit legt. Das weit bekanntere Produkt sind allerdings Nüsse und Trockenfrüchte, die man in jedem Supermarkt findet.

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Im Café trudeln derweil mehr und mehr Frühstücksgäste ein. Wir allerdings wollen unseren Bus Richtung Bad Wiessee erwischen. Dort erwartet uns nämlich schon Schusters Milch- & Kaffeebar. Neben der ganzen Palette espressobasierter Kaffeegetränke, darunter auch Marocchino, Caramelchino und Affogato, auch Corado im Glas, Haferl Brühkaffee und Cha phe sua nong, also Kaffee aus dem Phin mit süßer Kondensmilch. Dazu gibt es weitgerühmtes Frühstück, Milchshakes, kleine Gerichte, frische Smoothies und Suppen und die nicht minder bekannten Schuster Toasts.

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Die Einrichtung ist originell mit Anklängen an Skihütte, aber ohne in unerträglichen Kitsch oder überstrapazierte Folklore abzudriften. Nicht überbordend und verstaubt vollgestopft, sondern gerade so weit dekoriert, dass der Raum einzigartig ist und einem in guter Erinnerung bleibt. Die Bedienung ist flink und unaufdringlich freundlich und durchaus in der Lage mehr über den georderten Kaffee auch etwas zu erzählen. Der stammt übrigens aus der Rösterei Dinzler.

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Jetzt ist es nur noch ein kleines Stück, bis wir ganz im Süden des Sees die Einmündung der Weißach und den gleichnamigen Ort erreichen. Wenn man nach Weißach am Tegernsee kommt, dann gewinnt man schnell den Eindruck, das ganze Dorf gehöre einen Herrn Bachmair – so wie Western-Städte auch immer nur einem Mann gehören. Zumindest in den zahlreichen Filmen und Filmchen, die sich mit dieser Episode der Geschichte befassen. Nur scheint dieser Herr Bachmair kein Schurke zu sein, sondern eine nun schon 180 Jahre andauende Geschichte einer erfolgreichen Gastronomen-Familie. Denn es war 1862, als der Mühlenbesitzer Lorenz Bachmair im Ort einen Gasthof eröffnete. Und dann expandierten er und seine Nachfahren ganz eifrig.

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So verwundert es zumindest nicht, dass auch das Café Felix der ersten Tegernseer Kaffeerösterrei in einem Nebengebäude des Hotels Bachmair Weißach residiert. Kaffee ist nicht gleich Kaffee. In der Ersten Tegernseer Kaffeerösterei weiß man davon ein Lied zu singen. Sie gehört zu einem kleinen internationalen Netzwerk von Kaffeeliebhabern mit einem gemeinsamen Ziel:  sie möchten die Kaffeequalität verbessern – und den Kaffeebauern dabei gleichzeitig höhere Renditen ermöglichen. Die Rösterei bietet eine große Vielfalt an hochwertigen, traditionell hergestellten Kaffeespezialitäten und wurde mit diesem Espresso 2012 vom Crema-Magazin zum „Röster des Jahres“ ausgezeichnet.

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Viele Kaffees werden direkt oder zusammen mit befreundeten Röstern importiert. Gekauft wird direkt vom Farmer, so dass die Kaffees nicht an der Börse gehandelt werden und bis auf das Transportunternehmen kein anderer daran verdient. Das Geld geht also an die Menschen, die es auch wirklich verdient haben: die Kaffeebauern. Die enge Zusammenarbeit ermöglicht es, gemeinsam komplette „Lots“ einzukaufen und untereinander aufzuteilen. Dadurch können viele außergewöhnlich gute Kaffees im ständigen Wechsel angeboten werden. Der Kaffee wird geröstet und verkauft und ist eine Sorte vergriffen, dann freut man sich halt auf die nächste Ernte.

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Seit kurzem gibt es in Weißach besagtes Café Felix, eine Schaurösterei und knapp 20 Plätzen. Bei schönem, warmen Wetter kann man auch draußen sitzen. Und drinnen kann man Kaffee und Zubehör kaufen. Wir aber ziehen weiter zum Café Lengmüller. Zwischen dem Café Felix und dem Konditorei Café Lengmüller liegen nur knappe fünf Kilometer – und etwa 100 Jahre. Während die Schaurösterei der Ersten Tegernseer Kaffeerösterei das derzeit neueste Café am Tegernsee sein dürfte, so ist das Kaffeehaus in der Tegernseer Hauptstraße wohl eines der ältesten.

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Bereits im Jahre 1911 übernahm der Konditormeister Anton Lengmüller mit seiner Frau Anastasia in Tegernsee ein Konditorei-Café mit Wein-, Kaffee-, Likör-, Limonade- und Weißbierhandlung. Nach mehrmaligem Wechsel der Betriebsstätten in Tegernsee, bauten sie 1926 den heutigen Stammsitz in der Hauptstraße 26 und eröffneten ein Konditorei-Cafe, das sich bald zum Treffpunkt für Genießer und Schlemmer entwickelte.

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Mitte der 50er Jahre übernahmen Siegfried und Elisabeth Lengmüller – die zweite Generation – den Betrieb und führten das Café bis 1988, ehe es die heutigen Inhaber und Betreiber Konditormeister Anton Lengmüller jun. mit seiner Frau Claudia in der dritten Generation übernahmen. Auch, wenn das Kaffeehaus in seiner bewegten Vergangenheit mehrfach renoviert wurde, hat es doch seinen Charme und das Wiener Flair behalten.

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Holzgetäfelte Wände, gepolsterte Stühle und Bänke, schrittschluckende Teppichböden, silberfarbene Kännchen und Tabletts, Wiener Melange mit Sahnehaube und 35 verschiedene Sahne- und Cremetorten, deren berühmteste die Flockensahnetorte ist, all das macht das Lengmüller so einzigartig. Außerdem gibt es phantastischen Baumkuchen und eine legendäre Tegernseer Trinkschokolade. Oder eine Wiener Melange mit viel Sahne. Gut, dass wir der Auslage im Gmundener Café Wagner widerstanden haben, denn hier können wir zuschlagen!

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Bevor wir aber den Tegernsee wieder verlassen, kehren wir noch in einem Café direkt am Wasser ein: dem Kreutzkamm am See. Die Geschichte des Cafés Kreutzkamm am See beginnt vor beinahe 200 Jahren im fernen Dresden. Dort stellt der 25jährige Jeremias Kreutzkamm aus Quedlinburg  am 16. März 1825 den Antrag auf Erteilung des Bürgerrechts und bittet gleichzeitig um die Konzession, ein Conditorei-Geschäft betreiben zu dürfen. In der Folge etablierte sich ein Unternehmen in Dresden, dass insbesondere mit seinem Christstollen, der bereits im 19. Jahrhundert bis nach Amerika verschickt wurde, Weltruhm erlangte. Bis der Bombenhagel im 2. Weltkrieg dem Unternehmen ein jähes Ende setzte.

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Da an einen Wiederaufbau in Dresden unter den damaligen Verhältnissen nicht zu denken war, startete Fritz Kreutzkamm, der Enkel des Firmengründers und Inhaber in der dritten Generation, in München neu. 1951 eröffnete er in der Münchner Burgstraße das Café Guglhupf, die Übernahme des Café Eyhrich in der Maffeistraße folgte und Anfang der 60er Jahre kam das Café Monopteros dazu. Später errichtete man in München-Zamdorf eine moderne Produktionsstätte, das inzwischen erweiterte Café in der Maffeistraße wurde zum neuen Stammhaus und statt des Café Monopteros wurde ein kleines Café in der Maxburgstraße übernommen.

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Nach dem Tod von Fritz Kreutzkamm 1981, wurde das Unternehmen von seiner Frau Friederike bis 2018 weitergeführt, die sich auch für den Weg zurück nach Dresden entschied. Bereits kurz nach dem Mauerfall konnte im Frühjahr 1991 am Altmarkt in Dresden wieder ein Café Kreutzkamm eröffnet werden. 1993 erwarben Friederike und Elisabeth Kreutzkamm das “Dresdner Backhaus”, eine Bäckerei aus dem 19. Jahrhundert, die während der DDR ein Teil des ehemaligen Dresdner Backwarenkombinats war, so dass die Familie Kreutzkamm heute sowohl in München als auch in Dresden wieder produziert und die Spezialitäten in alle Welt verschickt.

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Seit 2019 führt Elisabeth Kreutzkamm-Aumüller die Conditorei Kreutzkamm in fünfter Generation. Dazu gehören heute zwei Cafés in München, in der Maffeistraße, erst dieses Jahr im klassischen Dresdner Stil renoviert, und in der Pacellistraße beim Amtsgericht, eines in Dresden und seit 2010 das Kreuzkamm am See in Tegernsee. Letzteres ist vor allem bekannt für seinen Blick über den See. Und für uns ist das der ideale Platz unseren Osterspaziergang rund um den Tegernsee würdig abzuschließen. Bei einem Espresso – übrigens von Meister Kaffee aus Hamburg – zum Sonnenuntergang auf der anderen Seeseite am Sonnenbichl.

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Café crème und Croissant vor malerischer Kulisse und ein ganz besonderes Lebensgefühl! Morgen besuchen wir das Elsass. Hier geht es zurück nach Mallorca!

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8 Gedanken zu “Kaffeereise: Tegernsee

  1. Im Cafe Wagner war ich schon zum Frühstück. Das Cafe Felix ist ab jetzt auf meiner Liste wenn ich mal wieder zu einer passnederen Zeit an den Tegernsee komme. Danke für den Tipp und Frohe Ostern.

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  2. Das Café Kreutzkamm am Altmarkt in Dresden ist ein bekannter Referenzpunkt direkt an einem der Eingänge zur Altmarktgalerie. Ich habe dort schon oft die Nase an der Scheibe plattgedrückt, unter anderem die edlen Stollenmesser bestaunt. Danke für die Geschichte dazu!

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  3. ich war letztes Jahr in Rottach Egern ! Berühmt ist ja der Tegernsee für die höchsten Quadratmeterpreise Deutschlands wenn man Baugrund erwerben möchte ! Seegrundstücke sind vermutlich eh keine mehr zu haben.
    Ich frage mich, wie hast du die ganzen Informationen über die Cafehäuser her ? Wo findet man sowas ? Es ist beeindruckend wie du dich mit sowas beschäftigt ganz ehrlich !!!

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    1. Danke. Ich bereite mich natürlich vor. Es gibt mehrere Bücher mit Empfehlungen und Adressen – und dann natürlich Google Maps. Mit den Quadratmeterpreisen hast Du sicher recht, aber um in See-Nähe einen Kaffee zu trinken muss man ja, Gott sei Dank!, kein Grundstück erwerben. Wenn Dir meine Empfehlungen gefallen, dann freut mich das sehr! Gruß Tom

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