Inzwischen gibt es schon das Deutschlandticket für 49 Euro, den legitimen Nachfolger des 9-Euro-Tickets. Grund genug endlich mein Geschichten-Lager auszuräumen um Platz für neue Storys und Abenteuer zu schaffen! Zur Erinnerung: am ersten Tag der großen 9-Euro-Ticket-Tour ging es über Mindelheim bis nach Memmingen und von dort über Ulm nach Biberach an der Riß, denn dort warten gute Freunde auf mich um mich vom Bahnhof abzuholen und um mir nach einem netten Grillabend im Garten ein Nachtlager anzubieten. Natürlich begann der neue Tag und Tag zwei meiner Tour mit einer Tasse Kaffee…

… gefolgt von einer kleinen Führung durch das kleine Städtchen. Biberach an der Riß ist eine Kreisstadt im nördlichen Oberschwaben. Biberach war Reichsstadt, nach 1648 Paritätische Reichsstadt, und ist seit 1. Februar 1962 Große Kreisstadt und ist die größte Stadt des gleichnamigen Landkreises. Biberach liegt etwa 40 Kilometer südlich von Ulm und knapp 30 Kilometer westlich von Memmingen. Die Stadt befindet sich zu beiden Seiten der Riß, die Namensgeberin für eine Eiszeit war.

Die erstmalige urkundliche Erwähnung Biberachs erfolgte 1083. Damals lag das heutige Stadtgebiet im Herzogtum Schwaben. Um 1170 wurde die Marktsiedlung gegründet und 1226 wurde diese erstmals als Stadt erwähnt. 1281/82 wurde Biberach von Rudolf I. von Habsburg zur Reichsstadt erhoben. 1312 wurde das Ulmer Recht eingeführt. Um 1239 erfolgte die Gründung des Spitals, eine karitative Einrichtung für alle Bürger, die bis heute Wälder besitzt und das Bürgerheim als Altersheim betreibt. Im Gegensatz zu anderen Reichsstädten gelang es Biberach nicht, ein über die Stadtgrenze hinausgehendes Territorium zu bilden. Das Umland gehörte stets zu anderen Herrschaften.

Mit der Einführung der Baumwolle im 14. Jahrhundert wuchs Biberach zu einer bedeutenden Weberstadt heran. Biberacher Barchent und Leinwand wurden nach ganz Europa exportiert. Mehrere Weberhäuser aus dem 15. Jahrhundert sind noch erhalten. Von der einst mächtigen Stadtmauer kann man nur noch weniges sehen. Übrig ist nur noch das Ulmer Tor im Osten der Altstadt, einige Mauerreste im Norden und der Weiße Turm im Westen.

Der Weiße Turm wurde im Jahr 1484 nach achtjähriger Bauzeit als typischer Wach- und Wehrturm vollendet und mit bis zu 2,80 Meter dicken Mauern versehen. Der Weiße Turm ist 41 Meter hoch und hat einen Durchmesser von 10 Metern. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in den Turm Gefängniszellen eingebaut, damit auch der Weiße Turm als Gefängnis für Mitglieder der Bande des Schwarzen Veri dienen konnte. Heute beherbergt der Weiße Turm die Vereinsräume der Pfadfinder.

Infolge der Reformation entwickelte sich Biberach zu einer konfessionell gemischten Reichsstadt. Nachdem im Dreißigjährigen Krieg die Schweden unter Feldmarschall Graf Gustaf Horn am 7. September 1633 mit der Belagerung von Konstanz begonnen hatten, nutzte der Oberbefehlshaber über das Heer der Kaiserlichen Graf Johann von Aldringen die Gelegenheit und stieß am 24. September nach Biberach vor. Die Kaiserlichen beschossen am 26. September den Weißen Turm mit Kanonen und übernahmen die Stadt am 27. September. Doch bereits am 25. März 1634 eroberten die Schweden die Stadt wieder zurück, konnten sie aber nicht lange halten. Am 6. September erlitten sie in der Schlacht bei Nördlingen eine schwere Niederlage; Horn geriet in Gefangenschaft. Danach eroberten die Kaiserlichen fast ganz Süddeutschland zurück.

Durch den Westfälischen Frieden von 1648 wurde für Biberach sowie für Ravensburg, Augsburg und Dinkelsbühl ein paritätisches Regierungs- und Verwaltungssystem eingeführt. Das bedeutete Gleichberechtigung und exakte Ämterverteilung zwischen Katholiken und Protestanten. Durch die Entwicklung der modernen Artillerie wurde die bestehende Stadtbefestigung – bestehend aus einem doppelten Mauerring mit bis zu zwei Meter dicken und bis zu sechs Meter hohen Mauern, niedrigeren Zwingermauern, Tief- und Wassergräben sowie den Türmen und Stadttoren – militärisch überflüssig. Sie wurden in Friedenszeiten lediglich zur Erhebung des Einlassgeldes benötigt. Deswegen wurde 1790 damit begonnen, die äußere schwächere Mauer, die Zwingermauern und einzelne Mauerpartien der inneren Mauer abzureißen.

Mittelpunkt der Altstadt ist der zentrale Marktplatz. Die meisten Sehenswürdigkeiten, wie das Alte und das Neue Rathaus und die Stadtpfarrkirche St. Martin, liegen in unmittelbarer Nähe. Es gibt auch Kurioses, wie zum Beispiel das Toiletten-Fachwerkhäusle. Das freistehende Haus ist heute nicht mehr bewohnt. Früher war es allerdings auch keine Toilette.

Erstmals erwähnt wurde das Haus im Jahr 1622. Wann es erbaut wurde, ist nicht bekannt. Im 17. Jahrhundert war es die Heimat einiger Läden und befand sich direkt an der Friedhofsmauer. Daher vermutlich auch der seltsame Absatz nach hinten. Im Jahr 1873 zerstörte ein Feuer das Haus, wonach es aber wieder hergerichtet wurde. Die Stadt Biberach ist seit 1949 Eigentümerin der Immobilie und hat es in den 50er Jahren des 20. Jahrhundert zur öffentlichen Toilette umfunktioniert. Die Renovierungskosten beliefen sich auf über 700.000 Euro, weswegen es als teuerste Toilette im Ländle in den Medien war.

Teile des Stadtbachs sind heute wieder in der Altstadt sichtbar, wie zum Beispiel am Marktplatz. Dort lassen wir uns für eine entspannte Tasse Kaffee vor dem Café Schimpanski nieder. Hier lassen wir das Kleinstadtleben an uns vorüberziehen. Etwas gemächlicher geht es hier zu, als man es als Großstädter gewöhnt ist. Apropos Großstadt: das nächste Ziel meiner Tour ist schon etwas umfangreicher. Es geht nämlich ins nahe Ulm. Doch zuerst lasse ich mir noch etwas Kleinstadtluft um die Nase wehen.

Zum Bahnhof sind es nur wenige Schritte. Noch ein Vorteil: hier im Ort kann man praktisch alles zu Fuß erledigen. Das es nach diesem erlebnisreichen Vormittags schon wieder weiter geht ist fast schade. Aber mit dem Deutschland-Ticket könnte ich bald mal wieder herkommen…
💜
LikeGefällt 1 Person