Zwei Tage, vier Städte, eine Übernachtung; bei dieser 9-Euro-Ticket-Tour habe ich viel vor! Doch wie immer der Reihe nach. Mit dem Zug geht es zuerst nach Mindelheim. Das ist an sich keinen große Sache und in knapp zwei Stunden erledigt. Und so komme ich ins Schwäbische, genauer gesagt in den Landkreis Unterallgäu, dessen Kreisstadt Mindelheim ist.

Der Bahnhof liegt etwa einen Kilometer außerhalb der mittelalterlichen Altstadt. 1874 wurde Mindelheim an die Bahnstrecke Augsburg – Memmingen – Lindau angeschlossen. Aus dieser Zeit dürften auch die meisten Gebäude in der Bahnhofstraße stammen. So meint man schon beim Verlassen des Bahnhofs in die Vergangenheit zu reisen. Schon das Postgebäude scheint aus der Zeit gefallen zu sein.

Doch die Reise geht noch weiter zurück in der Zeit. Schon von weitem sieht man den Malefitzturm aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der sich malerisch über einen erhaltenen Teil der Mindelheimer Stadtmauer erhebt. Der Malefizturm wurde zur Sühne von sogenannten Malefizverbrechen genutzt. Gemeint sind „thodschleg und diebstal“. Heute würde man wohl Kapitalverbrechen dazu sagen. Der obere Teil des Turmes wurde Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts errichtet. Im Jahr 1834 wurde der Turm in das Gebäude der Fronfeste integriert.

Von hier sind es nur wenige Schritte zum „Oberen Tor“, erstmals 1337 erwähnt, durch das man in die Altstadt kommt. Der bestehende Torturm wurde, wie das Einlasstor, in der Zeit um 1500 errichtet. Der Torvorbau wurde 1873 abgebrochen. In diesem befand sich vermutlich die Wohnung des Torwächters. Noch bis in das 16. Jahrhundert hinein wurde es auch Häbern- oder Haberntor genannt.

Der richtige Zeitpunkt um sich kurz mit der Geschichte Mindelheims zu befassen. Die Besitzverhältnisse der Stadt wechselten in der Geschichte mehrfach. Unter anderem gehörte sie dem „Vater der Landsknechte“ Georg von Frundsberg sowie den Fuggern. Seit 1606 war sie eine bayerische Exklave im schwäbischen Territorium, ehe auch ihr Umland, bestehend aus Reichsstädten, Reichsklöstern und Grafschaften, ab 1803 durch die Mediatisierung nach dem Reichsdeputationshauptschluss in das Kurfürstentum Bayern eingegliedert wurde.

Im 6./7. Jahrhundert ließen sich alemannische Ackerbauern an der Mindel nieder. 858 wurde die erste Kirche gegründet. Mindelheim wurde 1046 erstmals urkundlich erwähnt und um 1250 zur Stadt erhoben. Aus dieser Zeit dürfte auch die ältesten Teile der Stadtmauer stammen, deren Verlauf sich gut von einem gewöhnlichen Stadtplan ableiten lässt. Die Altstadt erstreckt sich in Ost-West-Richtung zwischen dem Oberen und dem Unteren Tor. Im Norden wird sie durch die Teckstraße und im Süden durch die Frundsbergstraße begrenzt.

Um 1370 gelangte Herzog Friedrich von Teck auf fragwürdige Weise in den Besitz der Herrschaft Mindelheim. Danach ging die Stadt noch durch mehrere Hände, darunter die von Irmengard von Rechberg, Bero I., Albrecht und Barbara von Rechberg und Ulrich von Frundsberg und dessen Bruder Hans. Ulrichs Nachkommen regierten bis 1586 die Herrschaft Mindelheim, darunter ihr Sohn Georg von Frundsberg, der Vater der Landsknechte. Im Jahre 1591 erwarb Hans Fugger von Kirchheim die Herrschaft, die 1598 auf seinen Sohn Christoph Fugger überging. Doch 1616 besetzte Kurfürst Maximilian von Bayern Mindelheim militärisch und erzwang die Übergabe. Die Fugger wurden abgefunden.

Seit 1616 und wieder seit 1714 gehörte die Herrschaft, unterbrochen durch die Zeit des kaiserlich-königlichen Interregnums 1778 bis 1780, zum Rentamt München des Kurfürstentums Bayern. Von 1705 bis 1714 besaß der englische Feldherr John Churchill, 1. Duke of Marlborough, das neu geschaffene Reichsfürstentum Mindelheim. Marlborough hatte es von Kaiser Joseph I. für seine Dienste im Spanischen Erbfolgekrieg erhalten. 1802/1803 verlor Mindelheim im Zuge von Verwaltungsreformen die mit dem Stadtrecht verbundenen weitgehenden Eigenrechte. 1804 wurde in Mindelheim ein bayerisches Landgericht älterer Ordnung eingerichtet. Im Zuge weiterer Verwaltungsreformen in Bayern wurde mit dem Gemeindeedikt von 1818 die heutige Stadtgemeinde gebildet.

Mittlerweile sind wir durch die Altstadt durchgeschlendert und am Unteren Tor angekommen. Das Tor wurde erstmals 1263 erwähnt. Es besaß im 13. und 14. Jahrhundert den Beinamen Schnäbelinstor, nachdem der Mindelheimer Bürger Ulrich Schnäbelin das nördlich angrenzende Grundstück an die Augustiner verkaufte, die darauf ihr Kloster errichteten. Vom 15. bis zum 17. Jahrhundert erhielt es auch den Beinamen Klostertor. Die Namen Brudertor und Bläserturm sind ebenfalls in alten Schriften zu lesen. Die heutige Gestalt stammt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Ein dem Tor vorgelagerter Vorbau wurde 1877 abgebrochen. In neuerer Zeit wurde ein im nördlichen Teil des Gebäudes liegender Durchbruch für Fußgänger geschaffen.

Also geht es wieder ein paar Schritte auf der Maximiliansstraße zurück zum Marienplatz, dem Zentrum der historischen Altstadt von Mindelheim. Der erste Marienbrunnen wurde erstmal 1654 erwähnt, der heutige Brunnen 1763. Seine heutige Gestalt bekam der zentrale Platz durch seine umfangreiche Sanierung im Jahr 2008. Wo sollte ich einen schönen Platz für einen Kaffee finden, wenn nicht hier?

Fündig werde ich in der Bäckerei-Konditorei Hermann Ried mit Blick auf das Rathaus und den Marienplatz. Hier dreht sich seit über 90 Jahren alles rund um das Thema Backen. Im Jahre 1928 gründete Balthasar Anwander im Herzen Mindelheims eine kleine Bäckerei. Seither haben sich vier Generationen um das Wachsen und Gedeihen der Bäckerei Ried gekümmert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: ein leckeres Plundergebäck und ein Cappuccino mit Bohnen vom Dinzler. Doch lange kann ich nicht verweilen. Ich habe doch heute noch was vor…

Quellen: Wikipedia, Unternehmensseite, Spiegel.
Ich wusste nicht, dass Mindelheim so schön sein kann.
LikeGefällt 1 Person
Ich vor meinem Besuch auch nicht.
LikeGefällt 1 Person