Samiotisches Kaffee-Tagebuch: auf dem Weg in den Insel-Westen

Zwei Tage Urlaub liegen noch vor mir. Für heute habe ich mir eine Tour in den Inselwesten von Samos vorgenommen. Über Koumaradei, Pirgos und Agii Theodori geht es in die Kreisstadt Marathokambos. Von dort geht es runter ans Meer und über Kampos und Psili Amos nach Limnionas und dort zum Ende der Welt. Der Rückweg ist etwas anspruchsvoll. Auf dem Programm stehen Balos Beach, das Bergdorf Spatharei und schließlich Pagondas – das verspricht einige bemerkenswerte Aussichten!

Die Tour führt mich in den südlichen Teil des Gemeindebezirks Dytiki Samos mit Marathokambos als Hauptstadt. Dieser Teil der Insel Samos ist nicht nur der kleinste, er ist auch der am wenigsten besiedelte. Auch der Tourismus ist hier weniger entwickelt, als andernorts. Das mag auch daran liegen, dass die Landschaft durch das wuchtige Kerkis-Massiv dominiert wird – der Gipfel des Vigla ist mit 1.433 m einer der höchsten Gipfel der Ägäis! Das Kerkis-Gebirge trennt auch den Süden um Marathokambos vom Norden mit Karlovassi als größtem Hafen.

Blick zurück Richtung Ireon

Neben Karlovassi nimmt sich Ormos Marathonkambou, der Hafen der Kreisstadt, eher bescheiden aus. So abseits der Handelswege ist das südliche Dykty Samos auch die ärmste Region der Insel. An den früheren Reichtum, der aus den ehemals reichhaltigen und begehrten Erträgen aus dem Anbau von Ölbäumen resultierte, erinnert nur noch die Kreisstadt. Ein Umstand, der sich auch in der Qualität der Verkehrswege widerspiegelt. Etwas, dass mir bei meinem ersten Besuch vor 30 Jahren fast zum Verhängnis geworden wäre.

Ein Phänomen dieser Samos-Reise war es, dass ich hier – anders als auf Patmos – kaum Orte von damals wiedererkannte. Das mag zum einen daran liegen, dass sich seit damals sehr viel verändert hat. So blieben vor allem die Erinnerungen an Vathi und Pythagorio unscharf. Das wird sich heute ändern. Schließlich habe ich zwei Orte exakt wiedererkannt. Eine Aussicht und eine Taverne. Dazu gleich.

Pirgos

Von Ireon geht es erstmal nach Chora und von dort auf die auf Karten als einzige Hauptverkehrsstraße ausgewiesene Strecke, die einmal rund um die Insel führt. Über Pythagorio und Vathi bin ich diesem gut ausgebauten Teil der Strecke schon bis Karlovassi gefolgt. Wie auch vor 30 Jahren. Nur, dass ich damals von Karlovassi nach Süden gefahren bin um den Rundkurs gegen den Uhrzeigersinn zu vollenden. Nicht wissend, dass die letzten 25 Kilometer der Strecke hinter dem sprichwörtlichen „Ende der Ausbaustrecke“ lagen.

Wir, das heißt meine erste Frau und mein Sohn David, waren mit einem 80er Roller unterwegs über die Insel. Wir hatten schon gut zwei Drittel der Strecke und der Abend nahte und ich eine folgenschwere Entscheidung traf. Verwöhnt von der bis dahin gut ausgebauten Straße stimmte ich dem Drängen meiner Frau nach bereits in der Dämmerung hinunter zum Küstenort Balos zu fahren. Dort und nirgendwo anders wollte meine Frau den Sonnenuntergang erleben.

Blick nach Westen, im Hintergrund das Kerkis-Massiv

Es war purer Leichtsinn. Die Abfahrt auf der gewundenen, steilen Straße kostete uns eine halbe Stunde. Dafür entschädigte uns ein tatsächlich unvergesslicher Sonnenuntergang in einer Taverne am Strand bei griechischem Kaffee und einer Karelia. Als noch unvergesslicher blieb mir aber der Rest unseres Heimwegs in Erinnerung. Zum einen ist es nach dem Sonnenuntergang vor allem eines: dunkel! Zum anderen blieb die steile Straße zurück zur Hauptroute. Doch damit nicht genug, war das nun folgende Stück Straße ausgesprochen kurvig, bergig und bei weitem nicht so hübsch ausgebaut, wie der bisherige Abschnitt der Fahrt. Ich hatte also viel zu tun und wenig Erfahrung.

Doch schlug ich mich leidlich gut. Da es inzwischen nicht nur dunkel, sondern auch kalt geworden war – noch so ein Nach-Sonnenuntergang-Phänomen – nahmen wir Klein-David in die Mitte und damit ihm nicht langweilig wurde, zu sehen gab es ja nichts, sang meine Frau mit ihm Lieder aus dem Kindergarten. Deshalb schwante mir auch nichts Böses, als vom Sozius leise „Es geht ein Bibabutzelmann in unserm Haus herum, dideldum“ hörte. Und nochmal „Es geht ein Bibabutzelmann in unserm Haus herum, dideldum“. Leben kam in das Ganze bei der Textstelle: „er rüttelt sich, er schüttelt sich“, denn wie im Kindergarten einstudiert rüttelten und schüttelten sich Weib und Kind. Auf einem Motorroller. In der Kurve. Bei etwa 60 km/h.

Verführerisch liegt das Küstendorf Balos in einer kleinen Bucht am Meer. Hier traf ich die folgenschwere Entscheidung.

Das Hinterrad brach nach rechts aus, der Rollsplit knirschte, ich gab Vollgas und zog uns damit aus der Kurve. An der nächsten Möglichkeit hielt ich an, sehr wach und mit einem Adrenalin-Spiegel, den sich mancher Dealer gerne auf Flaschen ziehen und verkaufen würde und schimpfte die beiden zusammen. Hatte ich nicht eindeutige Anweisungen über das Verhalten auf Motorrollern insbesondere in Kurven erteilt? Hatte ich dabei Hüpfen, Rütteln oder Schütteln auch nur mit einer Silber erwähnt? Oder hatte ich nicht eher das genaue Gegenteil erklärt?

Wir mussten weiter. Nach etwa zehn Minuten erschien im gelben Licht seiner Straßenlaternen der nächste Ort. Bei der ersten Taverne – die Taverna Panorama in Koumaradei – scherte ich aus. Ein Kaffee für mich und für David eine Limo, damit er sich wieder beruhigt. Ab da war die Straße übrigens wieder gut und nach 15 bis 20 Minuten waren wir zurück bei unserem Quartier. Dass wir aber beinahe vom Butzelmann getötet worden wären, werde ich wohl nie vergessen…

Taverna Panorama in Koumaradei

Bei meiner heutigen Tour habe ich zwei Orte wiedererkannt: die verhängnisvolle Abzweigung nach Balos und die Taverna Panorama. Doch von der Taverne erzähle ich Euch in einem anderen Beitrag mehr.

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