Es ist über zweieinhalb Jahrtausende her, dass der Tyrann Polykrates über das antike Samos herrschte. Drei gewaltige Bauvorhaben werden ihm zugeschrieben: der Hafen, der Tunnel des Eupalinos und die gewaltige Stadtbefestigung. Auch einen beeindruckenden Palast soll er in Auftrag gegeben haben, wohl auf der Anhöhe oberhalb des Hafens, wo heute die kleine Festung steht. Und auch der Tempel des Heraion, von dem heute noch eine berühmte Säule steht, geht auf ihn zurück.

So weit die Sage. Die historische Wahrheit dahinter ist ernüchternder: Für die drei großen samiotischen Bauten – der Tunnel des Eupalinos, das Heraion und der Hafen –, die Herodot als Rechtfertigung für seinen samischen Exkurs anführt und die Aristoteles wohl mit den „polykrateischen Bauwerken gemeint hat, dürfte Polykrates nicht beziehungsweise nur zum Teil verantwortlich gewesen sein. Der Tunnel wurde wahrscheinlich früher begonnen, während ein nie fertig gestellter Neubau des Heraion tatsächlich von Polykrates in Auftrag gegeben worden sein könnte. Der Hafen ist indes nicht eindeutig zuzuordnen. Für sich selbst soll Polykrates einen Palast gebaut haben, der noch lange später von Caligula bewundert worden sein soll.

Einen Bauauftrag lässt sich der despotische Herrscher ebenfalls nicht mehr nehmen, nämlich den zu einer gewaltigen Stadtmauer, die in der Antike ihresgleichen sucht. In der Antike war die alte Stadt Samos, das heutige Pythagorio, von einer 6430 Meter langen Stadtmauer umgeben. Sie war bis zu sechs Meter hoch und fünf Meter dick, besaß zwölf Tore und Pforten sowie 35 Türme und Bastionen. Teile der Mauer sind bis heute erhalten.

Die antike Stadt nahm damit wahrscheinlich eine Fläche von etwa 1000 mal 1300 Metern ein. Hier lebten zu Zeiten des Polykrates 15,.000 bis 20.000 Menschen. Mauerreste existieren heute noch am Ufer auf dem Weg vom Tarsanas-Strand zur Logothetis-Burg, an der schmalen Gasse, die entlang der Rückseite der Hotels Labito II und Stratos verläuft, und vor allem auf dem Ambelos-Hügel. Dort kann man der alten Mauer durch weitgehend wegeloses Gelände mehrere hundert Meter weit folgen.

Zum Vergleich: Das einstige Römerkastell „Castra Regina“ in Regensburg, eine Festung, die bis ins neunte Jahrhundert hinein als uneinnehmbar galt, erstreckte sich auf eine Fläche von gerade einmal 540 mal 450 Metern und war nur zwei Meter stark. Tore gab es lediglich vier und die Zahl der Türme dürfte weit unterhalb der Hälfte von dem gelegen haben, was Polykrates errichten lies.

Ein Teil dieser Stadtmauer wird auf Google Maps fälschlich mit „Festung des Polykrates“ bezeichnet. Allerdings ist dieser Teil auch schwer zu erreichen. Ich wandte mich deshalb einem anderen, gut erhaltenen Teilstück zu, das besser zu erreichen ist. Zumindest einfacher zu erreichen sein soll. Zumindest steht in Pythagorio an der Hauptstraße ein Wegweiser, der das verheißt. Dem folge ich – und bin dann doch wieder auf mich allein gestellt, da es keine weiterführende Wegweisung gibt.

Ihr kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich so leicht nicht aufgebe. Und tatsächlich finde ich beeindruckende Reste der Mauer, die heute noch gut erahnen lassen, wie mächtig diese Mauern einst gewesen sein mussten. Und ich musste nur durch ein fremdes Grundstück, um ans Ziel zu gelangen. Offenbar der für griechische Inseln übliche Weg zu Sehenswürdigkeiten. Zu sehen sind Mauern, die Reste eines Tores und ein weiterer Zugang. Zum Teil sind die Mauern inzwischen von Bäumen und Büschen überwuchert. Ich finde trotzdem ein paar schöne Fotomotive. Morgen geht es zum Tunnel des Eupalinos.

Quelle: Wikipedia, Dumont Reisen.