Mein nächste Ziel führt einen grünen Lindwurm im Wappen. Der soll nämlich dort sein Unwesen getrieben haben und dort zahlreiche Schafe, Kälber und Jungfrauen verschlungen haben. Nach dem Mahle nahm er im nahen See ein Bad, trank sich am Seewasser satt und verzog sich auf seine Insel. Der Kaiser lobte eine große Belohnung für denjenigen aus, der dem Untier der Gar ausmachen könnte: zum Ritter, gar zum Grafen tät er ihn machen, eine Burg bauen, das Dorf zum Markt erheben und die schönste der verbliebenen Jungfrauen gäbe es auch dazu. Angelockt von diesen Aussichten fand manch wackerer Ritter den Tod. Ein Schusterjunge besiegte den Drachen – doch nicht mit dem Schwert, sondern mit einer List. Er nähte Löschkalk in ein Kalbsfell ein. Der Drache verschlang das Fell, badete, trank – und explodierte! Der Kaiser erhob den Schusterbuben zum Grafen, erhob Murnau zum Markt und den Buben zum Grafen, der nun eine Maid seiner Wahl freien durfte. Und der besiegte Lindwurm kam ins Stadtwappen.

Gelockt hat mich nicht die Aussicht auf Ruhm und ein Weib, ich folgte vielmehr der Einladung zur Genusswanderung, ausgesprochen im Jubiläumsheft der Kaffeelust, dem Magazin der Murnauer Kaffeerösterei. Die Kaffeelust gibt es jetzt nämlich schon seit zehn Jahren. Grund genug mal wieder bei den rührigen Röstern am Staffelsee vorbeizuschauen. In der Heftmitte gab es eine Wanderkarte. Also nutzte ich mal wieder mein 9-Euro-Ticket und machte mich auf den Weg – Schienenersatzverkehr per Bus zum Trotz!

Los geht die kleine Tour am Murnauer Bahnhof. Wurmsau soll der Ort früher mal geheißen haben. Die Geschichte sagt etwas anderes: Die Gegend um Murnau wurde bereits in vorchristlicher Zeit besiedelt. Ab der Regierungszeit von Septimius Severus gab es im Verlauf der Via Raetia eine Römerstraße über den Brennerpass und Seefelder Sattel durch das obere Isar- und Loisachtal nach Augsburg, die als Reichs- und Handelsstraße Via Imperii bis ins 19. Jahrhundert Bestand hatte. Auf dem mittlerweile abgetragenen Moosberg im Murnauer Moos ließen sich auch Zeichen keltischer und römischer Besiedlung finden. Damals war Murnau nicht mehr als eine mehr oder weniger befestigte Poststation mit dem Namen Murau oder Mureau. Der Name, aus dem sich später Murnau bildete, bezog sich auf das jetzige Murnauer Moos – Mure – und das Loisachtal – Aue. Der Markt entstand ab dem 12. Jahrhundert um die Burg Murnau, deren älteste Teile auf den Winter 1232/33 datieren – dem vermutlichen Todesjahr des Lindwurms.

Zum Ort Murnau kommen wir später noch. Jetzt machen wir uns erst einmal auf ins blaue Land. Hier finden wir zwar keinen grünen Lindwürmer, dafür aber blaue Reiter, namensgebend für die Tourismusregion „das blaue Land“. Anfang des 20sten Jahrhunderts ließen sich Gabriele Münter und Wassily Kandinsky in Murnau nieder. Zusammen mit Franz Marc, August Macke und anderen bildete sich die Künstlervereinigung des Blauen Reiters. Praktisch, dass das Haus der Malerin Gabriele Münter praktisch am Weg liegt. Bei den Murnauern wurde das Haus aufgrund Kandinskys russischer Herkunft auch „Russenhaus“ genannt.

Weiter geht es über die Malerische Kottmüller-Allee. Die Eichenallee wurde zwischen 1870 und 1880 von Emeran Kottmüller, einem Gründungsmitglied des Murnauer Verschönerungsvereins, angelegt. Das Motto damals „Sommerfrische“. So sollten Touristen nach Murnau gelockt werden, die über die neugebaute Eisenbahn anreisen konnten. Win-Win, denn Kottmüller war auch ein Förderer des Eisenbahnbaus. Mit der Eröffnung der Bahnstrecke Weilheim-Murnau bewahrheiten sich die Wünsche des Brauereiinhabers und liberalen Reichstagsabgeordneten. Die Allee besteht aus 140 alten Eichen und führt vom Münter Haus bis zum Ähndl am Nordrand des Murnauer Mooses. Morgen geht es weiter mit genau diesem Ähndl.
Ich habe gerade überlegt, ob diese Bahnhofsgebäude einem einheitlichen Baumuster folgende in der BRD erreichtet wurden? Ich könnte schwören, der Bahnhof in Sinsheim sieht genauso aus. Nicht das ich diese Architektur nicht mag, ganz im Gegenteil.
Ein schöner Bericht. Vielleicht sollte ich heute auch einen Caffee schlürfen gehen? Ups, da muß ich ja fast schon beeilen. Es ist viertel nach Zehn, um elf machen sie auf.
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Ich glaube der Zweck bestimmt das Design. Und der Zweck durften überall der selbe gewesen sein. Allerdings ist der Murnauer Bahnhof auch das Ergebnis zahlreicher Umbauten. https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Murnau
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