Um 18:00 Uhr mache ich mich auf den Rückweg. Ganze 50 Kilometer liegen vor mir, darunter das anspruchsvolle Stück zwischen Moraitika und Perama an der Stadtgrenze zur Inselhauptstadt Kerkyra. Nun aber los, denn je tiefer die Sonne steht, desto frischer wird es. Die ersten 16 Kilometer komme ich auch erwartungsgemäß zügig voran, dann die scharfe Rechtskurve und der Kreisel von Moraitika. Inzwischen bin ich ganz gut durch gefrohren. Am Kreisel folge ich dem Wegweiser zu einem Supermarkt, der nach eigenen Angaben alles hat.
Es muss ja irgendwo auch Jacken zu kaufen geben. Schließlich sehe ich dauernd Griechen mit Jacken. Nur in einem Laden habe ich noch keine hängen gesehen. So auch nicht im Supermarkt, der alles hat. Also Handtücher, Badehosen, Strandkleider, Luftmatratzen, T-Shirts, Flipflops, Tücher, Tops, Shorts und völlig überteuerte Pullover, die von Tommy Hilfiger stammen sollen. Jacken? Fehlanzeige! Also zurück auf den Roller und die anspruchsvolle Küstenrote.

Ich kämpfe mich durch. Die Sicht auf die Löcher im Straßenbelag wird immer schlechter. Zu allem Überfluss habe ich nur meine Sonnenbrille in Sehstärke dabei. Jede Kurve wird damit zum Abenteuer. Außerdem komme ich in den Berufsverkehr, was die Verkehrsdichte unangenehm erhöht. Ich halte durch bis Kaiser’s Bridge, der Landungsbrücke der Yacht von Kaiser Wilhelm II unterhalb des Achilleion. Hier weiß ich, dass ich die kurvenreiche Uferstraße hinter mir habe und gönne mir aus meinem zur Neige gehenden Getränkevorrat ein Radler – natürlich alkoholfrei.
Die Wellen schlagen sanft an die Brücke. In der Ferne die Küste Nordgriechenlands. Das Meer ist wie leergefegt. Die Steine der Landungsbrücke strahlen noch etwas von der Wärme des Tages ab, und das Radler schmeckt wie daheim in Bayern. Aber es hilft nichts, ich muss weiter. Da fällt mir etwas ein. Habe ich nicht auf der Herfahrt diesen großen chinesischen Kleidermarkt gesehen? Chinaland oder so ähnlich. Anderthalb Kilometer geht es noch die Küste entlang, dann die scharfe Linkskurve oberhalb des Stegs, der rüber nach Kanoni führt und schon bin ich in der Vorstadt. Hier bin ich wenigstens windgeschützt.

Nach etwa zehn bis fünfzehn Minuten erreiche ich den China Store, der Laden ist bis oben hin vollgestopft mit billiger Kleidung aus asiatischer Produktion. Also ideal für meine Bedürfnisse, auch wenn die Preisgestaltung etwas durchsichtig sind. Auf allen Etiketten finden sich zwei Preisaufkleber, die den angeblich ursprünglichen und schon reduzierten Preis darstellen sollen. Der Preis, der zu bezahlen ist wurde dann mit Filzstift ergänzt. Ein Problem habe ich allerdings mit den angegebenen Größen. Ich probiere XL, ich probiere XXL, ich probiere XXXL. Alles sieht aus, als würde ich versuchen meinen Konfirmationsanzug anzuziehen! So muss sich Gulliver in einem Modegeschäft auf Liliput gefühlt haben!
Ich ändere meine Taktik: ich probiere Jacken an, ohne vorher auf die Größenangaben zu schauen. So werde ich fündig. Eine beige Windjacke für nur zehn Euro – in der Größe 6XL, was ich für stark übertrieben halte. Vielleicht ist der durchschnittliche Chinese ja eher klein? In der Jacke sehe ich aus, wie ein Maoist auf dem Weg zur Arbeit in der Kolchose, aber sie hält den kalten Wind von mir ab. So, jetzt noch durch Kerkyra und dann über die Paleokastritsas nach Gouvia zurück. Jetzt ist es auch gut auszuhalten auf dem Roller.

In Gouvia angekommen wärme ich mich erstmal auf. Später belohne ich mich mit einer Portion Soutzoukakia in der Taverne – Hackbällchen in Tomatensauce. Die Jacke trage ich übrigens heute noch gerne. Sie hat mir als winddichte Übergangsjacke im Herbst gute Dienste geleistet. Dass ich mit ihr aussehe, wie ein dicker Chinese, nehme ich in Kauf.

In einer Woche geht es weiter mit dem Korfiotischen Kaffee-Tagebuch II.
Bis dahin können wir noch einige Kaffee-Momente gemeinsam erleben. Wenn Dir mein Blog gefällt, dann freue ich mich über ein Trinkgeld!
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