Der erste Kaffee auf bosnischem Boden

Aus der verquamlten Kaffeebar an der Autobahn-Tankstelle in Kroatien ist eine einsame geworden. Wo sich vor zehn Jahren noch duzende Fern- und Busfahrer und deren mitgenommene Passagiere mit undefinierbarem Kaffee wachhielten ist das bunte Leben stereotyper Markenkultur gewichen. Ein Stück von der Bar ist noch da, zugegeben, und das Angebot im Shop ist größer geworden – und europäischer. Schließlich ist Kroatien jetzt auch Europa. Obwohl: die Espressomaschine ist neu, der Cappuccino stark und lecker und der Barista füllt ihn, nach Bitte, auch vom Pappbecher in eine Porzellantasse um. Es ist aber irgendwie nicht mehr das selbe.

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Mein Sitznachbar und mich trennen Welten. Er ist Bosnier und arbeitet als Krankenpfleger im Südwesten Deutschlands. Als Journalist aus Bayern werde ich erst einmal misstrauisch beäugt. Und ich bin der einzige, der mit den Durchsagen des Busfahrers nichts anfangen kann – ich verstehe einfach die Sprache nicht. Und was will ein Deutscher im Gastarbeiter-Bus nach Sarajevo? Mit der Erklärung bin ich vorsichtig, trifft sie doch einen wunden Punkt: mein Ziel ist die jährliche Beerdigungszereminie für die Opfer des Massakers von Srebrenica.

Nach endlosen Grenzübertritten, slowenische und kroatische Zöllner nehmen es bei bosnischen Bussen gerne einmal genauer und lassen deren Passagiere gerne einmal länger in der dunklen Nacht rumstehen – serbische Busse nehmen deshalb lieber die Route über Ungarn – erreichen wir etwa anderthalb Stunden nach Sonnenaufgang Bosnien. Der Busfahrer hält kurz nach der Grenze an einer Tankstelle an und mein Sitznachbar und ich treffen uns zum selben Ritual: der erste bosnische Kaffee nach der Grenze! Dazu natürlich eine Drina, eine bosnische Zigarette.

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Ich bin also nicht der Einzige, mit diesem Ritual. Und plötzlich gehöre ich mit dazu. Ich, der Journalist aus München und der Krankenpfleger, der Lagerarbeiter und der LKW-Fahrer, allesamt aus Bosnien, die alle in Deutschland arbeiten und leben – oft über Monate von ihren Familien getrennt. Für den Rest der Fahrt bin ich einer von ihnen und wenn der Busfahrer mal wieder eine Durchsage macht, dann wird sie gleich von mehreren für mich übersetzt. Gegen Mittag erreichen wir dann Sarajevo. Ich bin für den Tag am Ziel, mein Sitznachbar muss noch weiter. Wir scheiden als Freunde – Freunde für einen Tag. Ein Kaffee und eine Zigarette gleich nach der Grenze, mehr braucht es nicht um Menschen zusammen zu bringen.

 

Wie Bosnien entschleunigt steht hier!

Wie man bosnischen Kaffee kocht steht hier!

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